Seit Juli 2010 und Januar 2012 schmücken neue (alte) Figuren des Hl. Sebastian und des Hl. Johannes des Täufers unsere Pfarrkirche. Im Treffpunkt 2012 gab Propst Feldmann bekannt, dass nun der Kirche eine barocke Figur der Hl. Agatha aus dem 18. Jahrhundert geschenkt wurde. Am 26. Januar 2013 soll sie in der Vorabend-Messe gesegnet werden. Propst Feldmann schreibt:“ Vor der sogenannten „Weiberkammer“ an der Sakristei von St. Cäcilia fand der ehemalige Küster Wilhelm Pieper die Figur. Nach Jahrzehnten im Exil hat nun die Familie seiner Tochter Dr. Magdalene Schütz sie der Pfarrgemeinde übereignet.“
Die heilige Agatha kann wohl als Nebenpatronin, Hauptpatronin ist die Hl.
Cäcilia, der Westönner Pfarrkirche angesehen werden. Sie wurde hier stark verehrt, zumal ihr auch früher schon ein Seitenaltar an der Südseite des Kirchenschiffes, geweiht war. Die Hl. Agatha gilt unter anderem als Beschützerin bei Feuergefahr. Ihr zu Ehren geweihte Kerzen sollen vor Brandunglück durch ihre Fürbitte bewahren. Gründe dieser Verehrung in Westönnen waren sicherlich die alten Fachwerkhäuser mit ihren strohgedeckten Dächern und offenen Feuerstellen, welche recht schnell ein Opfer der Flammen werden konnten. Vielleicht betrachtete man auch die Verehrung der Hl. Agatha als eine Art „geistliche Feuerversicherung“.
Wie wir aus den Urkunden und Archivalien des Pfarrarchivs erfahren, bestand schon vor über 500 Jahren, nämlich 1475 hier in der Westönner Pfarrkirche ein Seitenaltar zu Ehren der Hl. Agatha und zum Gedächtnis des Pfarrers Johannes Brunstein. Nolke Arndts gibt am 5. August 1475 zwei Morgen Land, am Scharnacker genannt, dem Pastor und den Kirchenmeistern zubehuf des Agatha-Altares zur Stiftung einer Memorie. Das Schriftstück ist auf Pergament, mit anhängendem Siegel, geschrieben. Leider ist es im oberen Bereich stark beschädigt. Zurzeit wird die Urkunde restauriert. Am Schluss dieses Beitrages ist das Regest (kurze Zusammenfassung) des Urkundentextes zu lesen. 1656 wurde der Altar von den Pfarreingesessenen Rötger Stevens und Hermann Köster in barocker Form erneuert. 17 Jahre später 1673, so berichtet uns die Chronik wurde der Altar von brandenburgischen Soldaten beschädigt. Im holländischen Krieg mussten sich die brandenburgischen Belagerungstruppen im Amte Werl, einschließlich Westönnen, 1673 zurück ziehen und hinterließen es „gäntzlich ruiniert“ wie die Geschichtsschreiber notieren.
Leider schweigen die Akten über eine geraume Zeit, denn erst 1746 lesen wir wieder etwas über die Hl. Agatha im hiesigen Pfarrarchiv. Am 5. November 1746 kaufte J.H. Cramer, Pastor an St. Ludgeri in Münster, im Auftrag des Westönner Pastors, Johann Ludgerus Plencker, diverse Paramente und „die Bildnüsse des hl. Josephi, der hl. Agathae und hl. Apolloniae“ beim Bildhauer Breda und quittiert dem Pfarrer. Die Gesamtsumme beläuft sich auf 74 Rthlr(Reichstaler), 5 Stüber und 10 Pfennig. Allein die drei Figuren kosteten 17 Rthlr, die Kiste für den Transport 14 Stüber und der Fuhrman erhielt für den Transport 1 Rthlr. Einige Monate später erfahren wir auch den Vornamen des münsterschen Künstlers, er unterschreibt am 19. März 1747 mit Henrich Breda. Hier verpflichtet er sich gegenüber Pastor Plencker zur Anfertigung eines Drehtabernakels und einer Nepomukstatue für den Pastor. Am 28. Februar 1748 quittiert er die Lieferung und Bezahlung. Am 18. Januar 1750 quittiert er allerdings nochmals, dass er für den gefertigten Altar 54 Rthlr.13 Stüber und 4 Pfennig erhalten hat. Warum kauft nun der Westönner Pastor Paramente, Figuren und einen Tabernakel in Münster, da doch die Pfarrei Westönnen zur Erzdiözese Köln gehörte. Wie wir wissen, hatte Pastor Joh. Ludger Plencker in Münster studiert und somit sicherlich noch diverse Beziehungen in die Kunstmetropole Westfalens.
Am 28. Juli 1747, so berichten die Archivalien, quittiert ein N. Haan, Maler in Werl, über die „illuminierung des neben altars mit einem agathan bilt so in der Sacristey stehet, hatt mihr der Herr Pastor zu Westönnen mit 50. rhr alles richtig bezahlt, quitire also anno 1747 den 28. Juli“.
Wer waren nun die Künstler Heinrich Breda und N. Haan?
Aus der Fachliteratur ist ersichtlich, dass in Münster mehrere Mitglieder der Familie Breda künstlerisch tätig waren. Henrich Breda, der unsere Agatha-Statue 1746 fertigte, hieß richtig Heinrich Ernst. Er war um 1685 geboren und heiratete am 04.10.1716 in der Liebfrauenkirche zu Münster Katharina Elisabeth Valentin. Zwischen 1717 und 1724 wurden dem Paar fünf Kinder geboren. Der Erstgeborene, Gerhard * 22.7.1717, wird später auch als Bildhauer bekannt. Unser Heinrich schuf u.a. auch für die St. Johannes Nepomuk Gemeinde in Elspe/Kr.Olpe für 221 Rthlr einen neuen Nebenaltar samt einem Vesperbild und dem Bildnis des Joh. Nepomuk. Wie sich ermitteln ließ, waren die Breda-Künstler auch am Dom und anderen Kirchen des Bistums Münster tätig. Einige Beispiele: am 26.3.1756 erhält der Bildhauer Breda 48 Thaler „für die gemachten Endflügel“ an der neuen Patroklus-Möller-Orgel im alten Chor der Domkirche, weiter lieferte er zwei Statuen der Schmerzhaften Muttergottes aus Stein 1752 für die Sakristei und 1768 für ein Steinhäuschen der Aegidiikirche zu Münster.
Zu den vorher zitierten Maler Haan aus Werl können wir leider nicht viel berichten. Aus dem Werler Kirchenbuch erfahren wir noch, dass er am 23.10.1750 eine Margarete Hecker heiratete. Das Brautpaar wird dort als „Vagabundi“ bezeichnet, was so viel heißt wie „auf Reisen befindlich“. Er führte also sein Handwerk mal hier und mal dort aus.
Im Jahre 1799 plante man in Westönnen einen Neubau der Kirche, nicht weil die alte baufällig, sondern weil sie zu klein war. Erst 1819 begann man mit dem Neubau und 1823 wurde die fertige Kirche eingeweiht. Um 1870 bis 1875 fand eine Neugestaltung im Innern der Kirche statt. Neue Wandmalereien wurden angelegt, an Stelle der früheren Altäre wurden 1873 drei neue, im gotischen Stil gehaltene Altäre errichtet. Die beiden neuen Nebenaltäre waren der Gottesmutter und dem Hl. Johannes geweiht. Einen Altar zur Ehren der Hl. Agatha gab es nun nicht mehr. 1870 erfahren wir, dass fünf neue Heiligen-Statuen die Kirche schmücken sollen. An Wänden des Hauptschiffes hat man die Figuren der Hl. Agatha, des Hl. Petrus, Paulus, Aloysius und Joseph installiert. Der Kölner Bildhauer Wilhelm Hansen bot der Kirche im September 1870 diese Figuren an. Am 16. Dezember 1870 bestellen der Pfarrer Wilhelm Schütze und der Kirchenvorstand diese mit dazu gehörigen Konsolen für 235 Thaler. Somit hatte die Pfarrkirche wieder eine Hl. Agatha. Leider wurden auch diese Heiligenfiguren bei der neuen Ausmalung der Kirche im Jahre 1947 wieder ein Opfer der Umgestaltung.
Bisher haben wir nur über Bildnisse, Figuren, Altäre etc zur Verehrung der Hl. Agatha in der Westönner Pfarrkirche berichtet. Dass auch Glocken zu Ehren dieser Heiligen gegossen wurden und ihren Klang ertönen ließen, soll nun näher beschrieben werden. Im Jahre 1671 hat der bekannte Glockengießer Johann de Lapaix drei Glocken für die Westönner Kirche gegossen. Geweiht waren sie der Hl. Cäcilia, dem Hl. Johannes des Täufers und letztlich der Hl. Agatha. Die Glocken überliefern in ihren lateinischen Inschriften neben dem Gußjahr, dem Gießer und den Stiftern weitere geschichtliche Nachrichten. Die Agatha-Glocke hatte folgende, frei übersetzte Inschrift: „Mich, die letzte, opferten zwei kleinere aus ihrem Leib; als vierte Glocke gab es meinen Klang vorher noch nicht. Gott wollte es, Söhne und Knechte gaben die Mittel. So Gott gebe, sei ihm Ehre, Friede, Ruhe. Heilige Agatha, bitte für uns! Johann de Lapaix goß uns im Jahre des Heils 1671“. Leider existiert dieses Instrument heute nicht mehr; denn im Januar 1864 zersprang es beim Einläuten zur Ewigen Anbetung. Erst 1877 entschloss man sich das Geläut wieder zu ergänzen. Zusätzlich, mit dem Material der defekten Glocke, wurde in Brilon beim Glockengießer Humpert eine neue Glocke gegossen. Über ihr Aussehen ist leider nicht viel überliefert. Ihr Durchmesser lag bei 76 cm und ihr Gewicht bei 278 kg. Geweiht war sie, wie ihre Vorgängerin, der Hl. Agatha. Festgestellt wurde nämlich, dass die Schrift wie folgt lautete: „Sancta Agatha, ora pro nobis, Heinr. Humpert Briloniensis me fecit anno 1877“. Nur vierzig Jahre hat diese Agatha-Glocke mit ihrem Klang die Gläubigen der Pfarrei erfreut. Sie wurde 1917 zu Kriegszwecken, gemeinsam mit der damaligen Dachreiter-Glocke, beschlagnahmt und eingeschmolzen. In einer Aufstellung über das Läuten an besonderen Festtagen finden wir, dass am 5. Februar zum Agatha-Fest ein gesungenes Hochamt gefeiert wurde.Der Küster musste zu diesem Anlass die Glocken mit drei Pausen läuten, wofür er mit 25 Stübern honoriert wurde.
Studiert man die Taufregister im Westönner Kirchenbuch, so ergibt sich ein weiteres Indiz für die Bewunderung dieser Heiligen. Zwischen 1668 bis 1776 sind zum Beispiel 35 Taufen notiert, die auf den Namen Agatha lauten. Im gleichen Zeitraum erhielten 33 Mädchen den Namen der Heiligen Cäcilia!
Nachzutragen ist noch ein sehr wichtiges Merkmal der Verehrung der Hl. Agatha in Westönnen. Martin Hufelschulte informierte uns, dass die alte Monstranz in der Kirche mit einer Agatha-Figur geschmückt ist. Die Monstranz stammt aus der Zeit der Spätgotik bis Renaissance, ist aus Silber und vergoldet. In der Barockzeit wurde sie mit neuen Elementen verschönert. Rechts kam die Figur der Hl. Cäcilia und links die der Hl. Agatha mit diversen Verzierungen hinzu. (siehe Foto)
In 14 Tagen, am 5. Februar feiert die Kirche das Fest der Hl. Agatha.
Regest der Urkunde vom 3. August 1475:
“ die inventionis beate Stephani.
Vor Volmar von Waltringhusen, kurkölnischem Richter zu Werl, gibt Nolke Arndts an den St. Agatha-Altar in der Kirche zu Westönnen die zwei Morgen Land, am Scharnacker, die Diedrich von Melschede ausweislich des Hauptbriefes dem verstorbenen Pastor Johann Brunstein zu Westönnen verkauft hatte. Nolke ist Johanns Erbe und gibt sie dem Pastor und den Kirchenmeistern zubehuf des Agatha-Altares zur Stiftung einer Memorie an jenem Altar. Der Priester desselben soll am Tage Martini die Memorie halten mit Vigil am Vortag, am Tage selbst mit einer Seelenmesse, und es müssen zur Messe geopfert werden 3 Pfennigswert Brot, 6 Pfennig für Fleisch und 1/2 Viertel Wein. Die Memorie ist ewig zu halten für Pastor Brunstein, dessen Eltern und für Nolke Arndts. Wenn das Land wieder verkauft wird, so sind die 13 Gulden für den Altar anzulegen. Zeugen: Heidenreich Wulf, Ervnote zu Tünnen und Wichard Snydewind, Drost zu Werl. Der Richter siegelt“.
Original Pergament mit Siegel.
Benutzte Dokumentationen:
Pfarrarchiv St. Cäcilia Westönnen, Urkunden u. Akten
Preising Rudolf: Westönnen, Geschichte eines Kirchspiels und seiner Höfe im Kurkölnischen Amte Werl. 1977
Gerhard Best/Theo Halekotte: Glocken u. Läuten im Kirchspiel Westönnen. 1982
Deisting Heinrich Josef: Zur Geschichte der Werler Maler bis 1750
Jolk Michael: schriftl. Information über Künstler in Münster. 12.2012
Autor: Dieter Holtheuer