Westönnens Antwort auf den Leserbrief vom 24. Juli 1846 ließ nicht lange auf sich warten. Nur eine Woche später konnten sich die Leser des Soester Kreisblattes diesen außergewöhnlichen Leserbrief einiger Westönner Schützen zu Gemüte führen. Und heute, ganze 164 Jahre später, auch die Leser von WestönnenOnline. Entdeckt wurde die Geschichte um „Wein oder Bier“ von Dieter Holtheuer.
Soester Kreisblatt vom 31. Juli 1846
Seite 267 – Eingesandt
Wenn es in der Nr. 30 des Kreisblattes einem Scribenten der Firma Sincerus Freimund in Utopien, gefallen hat, seine Galle über das harmlose, jedesmal in musterhafter Ordnung und Vertraulichkeit gefeierte Westönner Schützenfest auszugießen, so können wir wahrlich eine solche critische Nudelsuppe lediglich auf Rechnung eines ungeläuterten aller Urbanität entbehrenden Geschmackes setzen. Da wir uns aber auch sehr wohl zu bescheiden wissen, daß es Menschen unter dieser Sonne giebt, deren disharmonische Naturen einen barocken Egoismus höher stellen, als alles Uebriege in diesem irdischen Jammer= und Freudenthal, so wollen wir unter Berücksichtigung der hervorleuchtenden Selbstzufriedenheit unsers oben erwähnten Scribenten, im Erstaunen seiner erhabenen, chaotisch wogenden, im bengalischen Wirbelfeuer aufblitzenden Kraftideen, keinegswegs die jenige Bescheidenheit verletzen, welche im vorliegenden Falle vor einem größern, lesenden Publikume auch dem Herrn Sincerus Freimund, mag er nun in Utopien oder auf dem Haarstrange wohnen, wohl anständig und gebührlich gewesen wäre.
Als wir in gerechter, anspruchsloser Weise am 11. 12. und 13. Juli unser Schützenfest zu Westönnen feierten, befand sich auf dem Festplatze, allerdings mit Rücksicht auf den gewöhnlich zahlreichen Besuch unsrer freundlichen Nachbarn aus Soest und Werl, auch eine Conditorbude, worin, neben andern Erfrischungen, Wein verabreicht wurde. Ein höchst jovialer, muntrer Reisender, der in hiesiger Gegend für eine solide Weinhandlung am Rheine, nicht unbedeutende Geschäfte macht, fand in seiner frohen Laune Veranlassung als Festgenosse mehre Landleute zu sich heranzuziehen und, wie man so zu sagen pflegt, einige Flaschen springen zu lassen. Daß sich dabei eine gewisse Fröhlichkeit äußerte, daß Scherz und Gesang die dumpfen Seufzer misantropischer Grillenfänger übertönten, war wohl eine ganz natürliche Folge. Daß aber von der übrigen Gesellschaft der alte, vaterländische Gerstensaft verschmäht sein soll, solches beruht entweder auf einem groben, factischen Irrthum oder gehört in das obscure Gebiet absichtlicher Wahrheitsverdrehungen, deren Werth für uns mit jenen holperichen oder verunglückten poetischen Versuch en gleichbedeutend ist, denen es selbst der Laie auf den ersten Blick ansieht, daß hier ein derber Hobel bei weitem anwendbarer wäre, als Hyppocrene die Poetenschwemme.
Haltens übrigens zu Gnaden Herr Sincerus Freimund, wenn wir ebenfalls mit der Competenz und Schärfe ihrer historischen Forschungen in unvorgreiflichen Conflict gerathen. Wir meinens zwar nicht böse, lassen uns aber auch nicht gern von einem Utopier etwas aufbinden.
König Heinrich der Vogler mag allerdings den allgemeinen Waffenübungen seiner Zeit ein neues Leben eingehaucht haben, ihr ursprünglicher, einzig dastehender Schöpfer ist er nicht. Die Waffenübungen und Waffengenossenschaften beruhten in der uralten Wehrmannei, so wie im Gefolgewesen aller Stämme deutscher Nation. Sie bildeten unzweifelhaft die Basis der späteren Schützengilden an deren Mannhaftigkeit sich zuerst die brutale Kraft des Faustrechts und hochadelicher Buschklepperei gebrochen hat. (cfr.Luden, Gesch. d. deutschen Volks Bd. IV u. V.)
Wir harmlosen Landleute haben es Gott sei Dank dahin gebracht, daß wir gar gerne etwas erzählen hören aus dem alten Leben unserm Vaterlande, besonders aber wenn brave, verständige und gelehrte Männer von den herrlichen oder trüben Tagen und glorreichen Thaten der Altvorderen zu und reden; ebenso gerne legen wir aber auch einige Groschen zurück um uns ein nützliches Buch am Ende des Jahres zu beschaffen worin geschrieben steht wie es in Alters grauer Zeit in der trauten Heimath und im theuern Vaterlande zugegangen ist.
Sehen Sie, verehrter Herr Sincerus Freimund aus Utopien oder von der Haar, daß ist so unsre schlichte Meinung von der Sache. Mögen wir nun bei festlicher Gelegenheit einmal im Jahre Werlisches oder Bairisches=, Westönner=Bier oder zu Ihrem Leidwesen Rheinwein trinken, wir wollen Ihre Gesundheit dabei nicht vergessen. Darum kommen Sie nur immerhin künftiges Jahr auf unser Schützenfest, besonders wenn Sie dann bessere Verse (ein Panegyricon brauchts justement nicht zu sein) machen wollen! Auf Seele, der beste Schinken und die größte Wurst des stillen Dörfleins am Hellwege soll dem Herrn Sincerus Freimund geopfert werden.
Westönnen, den 3. August 1846
Mehrere Teilnehmer des am 11. 12. u. 13. Juli
hier gefeierten Schützenfestes
Autor: Dieter Holtheuer / Manfred Zeppenfeld