Im WERLER ANZEIGER hält Stadtarchivar Michael Jolk monatlich einen Rückblick auf besondere Ereignisse im Werler Stadtgebiet. Er berichtet über Geschehnisse, die in den Zeitungen DER FREIMÜTIGE und WERLER ANZEIGER vor 80 und 60 Jahren veröffentlich wurden. Unter vielen anderen Begebenheiten, wird auch über den Abbruch (am 22.4.1953) und Neubau (am 8.5.1953 und 20.8.1953) eines Heiligen Hauses in Westönnen im ANZEIGER berichtet.
Text vom 22.4.1953:Heiligenhäuschen war baufällig
Das Heiligenhäuschen Ecke Hellweg – Breitestraße (in Westönnen) mußte abgebrochen werden, da es baufällig war und einzustürzen drohte. Beim Abbruch wurde eine Flasche gefunden, deren Inhalt ein Schriftstück war, das über Zeit und Grund der Errichtung des Heiligenhäuschens Auskunft gab. Das Häuschen wurde auf Grund eines Gelübdes von den Eheleuten Heinrich Risse im Jahre 1874 erbaut. Seit dieser Zeit bildet es die 4. Station der Brandprozession, die Christi Himmelfahrt gehalten wird. Neben der Flasche lag noch ein Prospekt einer Görlitzer Textilfirma, die Ia Kammgarnstoffe für 8 bis 19 Mark pro Anzug anbietet und Herrenulster für 15 bis 18 Mark je nach Qualität.
Text vom 8.5.1953: Heiligenhäuschen erstand neu
Anstelle des alten Heiligenhäuschens (in Westönnen) das wegen Baufälligkeit abgebrochen werden mußte, wurde jetzt ein neues errichtet. Es wurde nicht an der alten Stelle, sondern gegenüber in den Grummel gebaut. Hier steht es bedeutend günstiger, da es ca 2 m über der Straße im Hang liegt. Die Kolpingsöhne haben keine Mühen gescheut, das Heiligenhäuschen, das der Pflege des Jungmännervereins unterstand, wieder erstehen zu lassen. Sie haben die Erd- und Maurerarbeiten in ihrer Freizeit ausgeführt.
Text vom 20.8.1953: Von der Kolpingfamilie errichtet
Anstelle des im letzten Frühjahr abgerissenen Heiligenhäuschens errichteten die Westönner Kolpingsöhne in Eigenarbeit nach Feierabend diese kleine Kapelle, die nun, mit einigen Statuen geschmückt und von einem schmiedeeisernen Tor verschlossen, endgültig fertiggestellt ist.
Mit diesem in der Flasche gefundenem Schriftstück haben wir in Westönnen erstmalig einen schriftlichen Beleg über die Errichtung eines älteren Heiligenhäuschens. Leider ist die Flasche mit dem Dokument nicht mehr vorhanden. Es wird vermutet, daß beides vielleicht in dem neuerrichteten Heiligenhaus mit eingelegt wurde.
Wer waren nun die Stifter dieser Station? Die auf dem Schriftstück notierten Eheleute Risse hießen richtig Post genannt Risse. Heute nennen sich die Nachkommen der Familie nur noch Post. Heinrich Risse war ein Sohn des Zimmermanns und Wagners Hermann Post gt. Risse und der Anna Maria Segtrop zu Sieveringen. Heinrich wurde als 10. Kind und 7. Sohn dieses Paares am 1. September 1848 in Sieveringen geboren und einen Tag später hier in der Westönner Pfarrkirche getauft. Seine Frau war eine Anna Maria Kolter aus Westbüderich. Am 12. April 1845 wurde sie dort geboren. Ihre Eltern waren der Schreiner Stephan Heinrichs gt. Kolter und Elisabeth Brinkmann gt. Schnettker. Heinrich Risse war erst 19 Jahre und Anna Maria Kolter fünf Jahre älter, als sie am 2. Juli 1868 in Westönnen den Bund der Ehe schlossen und hier seßhaft wurden. Eine Parzelle an der Kreuzung des alten Hellweges und der Breiten Straße wurde ihr Zuhause. Hier stand auch das sechs Jahre nach der Hochzeit 1874 errichtete Heiligenhaus. (siehe Foto)
Zwischen 1869 und 1886 wurden dem Paar drei Töchter und fünf Söhne geboren. Am 4. März 1920 starb der Vater als Heinrich Post, Ackerer zu Westönnen, an der Grippe. Er hinterläßt laut Notiz des Pfarrers die Gattin und drei erwachsene Kinder. Am 11. März wird er gemeinsam mit seiner Frau zu Grabe getragen. Denn sie starb schon drei Tage nach ihrem Gatten auch an der Grippe. Offensichtlich hat es zu der Zeit in Westönnen eine Grippewelle gegeben, denn im Sterberegister ist notiert, daß zwischen Mitte Februar und Mitte März 1920 15 Westönner Einwohner an der Grippe starben.
Der am 5. Dezember 1882 geborene Sohn, Heinrich, ehelichte drei Monate nach dem Tod der Eltern am 5. Juni 1920 die Anna Theophil. Beide übernahmen und bewirtschafteten nun das Anwesen.
Zum Schluß muß noch folgendes gefragt werden. Das alte und neue Heiligenhäuschen diente immer als vierte und letzte Station der jährlichen Brandprozession am Himmelfahrtstage. Wo aber war die letzte Station vor 1874?
Weiter weisen wir noch auf den Beitrag „ Zur 4. Station der Brandprozession“ von Friedrich Schleep in unserer WESTÖNNEN OFFLINE Ausgabe 2006 I, auf den Seiten 4-5, hin.
Autor: Dieter Holtheuer