Anfang Mai 2014 gedenkt der MGV Cäcilia 1854 Westönnen seiner Vereinsgründung vor 160 Jahren. Am 10. Mai gestaltet er eine Gedenkmesse in der Westönner Pfarrkirche und einen Tag später gibt er ein Kaffeekonzert in der Schützenhalle. Auch WESTÖNNEN ONLINE möchte zu diesem Gedenktag etwas beitragen. Im folgenden Bericht stellen wir eine Recherche über den „ersten“ Chorleiter Lehrer Friedrich Flashar vor. Laut Festschrift zum 150 jährigen Jubiläum 2004 wird er als erster Chorleiter von 1854 – 1896 genannt. Vor Friedrich Flashar muss es aber schon einen Dirigenten gegeben haben, denn Flashar kam erst 1866 mit 24 Jahren nach Westönnen. 1854 wäre er also 12 Jahre alt gewesen und somit zu jung um eine Chorgemeinschaft zu leiten.
Friedrich Flashar wurde am 9. November 1842 in Rüthen illegitim geboren und am 11. November in der St. Nikolaus Kirche getauft. Seine Mutter war Franziska Koers und der angebliche Vater der Schreiner Mathias Schulte aus Rüthen. Offensichtlich wurde das Kind schon in jungen Jahren von dem Lehrer Rotger Flashar und seiner Frau Sophia Stamen adoptiert. Rotger stammte aus Remblinghausen und hatte die Sophia am 15. Oktober 1840 in Brilon geheiratet. Der Adoptivsohn Friedrich besuchte die Volksschule und ab dem zehnten Lebensjahr von 1852 bis 1861 das Gymnasium Petrinum zu Brilon. Anschließend folgte er beruflich seinem Adoptivater. Er besuchte das Lehrerseminar zu Büren, eine Ausbildungsanstalt für angehende Volksschullehrer, von 1861 bis 1864. Nach erfolgreichem Abschluss seines Studiums erhielt er an der höheren Stadtschule zu Meschede eine erste Anstellung als Schulamtskandidat. Sein Adoptivater hatte bereits 1837, ebenfalls in Büren, sein Studium abgeschlossen.
Als im Mai 1866 der Westönner Lehrer Bernhard Kenter mit 36 Jahren an der Schwindsucht verstorben war, suchte man eine neue Lehrperson für die untere Elementarschulklasse. Aus elf Bewerbern hatte sich der Schulvorstand für Friedrich Flashar entschieden. Bereits am 6. August 1866 bedankt sich der Vater Rotger Flashar aus Neheim bei Pfarrer Wilhelm Schütze. Er sei sehr erfreut über das Resultat der dortigen Lehrerwahl und ist überzeugt, dass sein Sohn alles aufbieten wird, sich das Vertrauen des Westönner Schulvorstandes würdig zu erweisen. Gleichzeitig bittet er den Pastor nach einem guten Hause für Kost und Logis für seinen Sohn zu suchen.
Drei Tage später, am 9. August, schreibt Friedrich Flashar aus Meschede an Pfarrer Schütze. Hier geben wir den ganzen Text des Briefes wieder, um zu zeigen, wie wortreich er seinen Dank für die Wahl formuliert hat:
Hochwürdiger
Hochzuverehrender Herr Pfarrer!
Seit mehreren Tagen hatte sich meiner eine große Ungeduld und Sehnsucht auf eine Mittheilung über den Ausfall der dortigen Wahl bemächtigt; die schönen Hoffnungen, die ich bei meiner Meldung auf die Erlangung der Stelle mitgenommen hatte, waren durch die Länge der Zeit sehr geschwächt; da auf einmal wird mir die freudige Mittheilung von Ew. Hochwürden zu Theile, daß die Wahl auf mich gefallen sei. Noch mehr erfreut aber war ich darüber, ja ich bin fast stolz darauf geworden, daß ich unter so vielen Bewerbern den Sieg davon getragen habe; die Gemeinde Westönnen hat dadurch das Vertrauen zu mir an den Tag gelegt, daß ich ein guter Lehrer würde. Ew. Hochwürden und der Wohllöbliche Schulvorstand möge deshalb meinen innigsten Dank entgegen nehmen, zugleich aber auch das Versprechen, daß es, sobald ich mein Amt dort angetreten habe, mein eifrigstes Bestreben sein wird, dieses Vertra(uen) vollständig zu rechtfertigen; es wird mir neben meiner Hauptaufgabe , die Kinder zu guten religiös(en) Christen zu erziehen, auch besonders angelegen sein, durch mein sittliches Betragen der Gemeinde Westönnen zu zeigen, daß ich ihr Lehrer bin.
Unter solchen Gefühlen des innigsten Dankes und Versprechen verbleibe ich
Ew. Hochwürden
Meschede, d. 9. August 1866
ergebenerFlashar, Lehrer
Am 24. August 1866 schreibt der Generalvikar, im Auftrag des Bischofs, er ermächtige F. Flashar den Religionsunterricht in der gesamten Schule zu erteilen und erwartet, dass er das Amt mit Eifer und Treue zum Heile der ihm anvertrauten Jugend wahrnehme. Zwei Monate später, am 16. Oktober bemerkt Pfarrer Schütze unter diesem Schreiben: Lehrer Flashar hat vor mir und des Schulvorstandes das tridentinische Glaubensbekenntnis abgelegt, den Diensteid geleistet und sich den Kindern als ihr Lehrer vorgestellt. Im September 1866 meldet sich die Königliche Regierung zu Arnsberg bei dem Herrn Schulinspektor Pfarrer Alterauge in Werl. Man bittet u.a. dass nach Ablauf von zwei Jahren ein Gutachten abgegeben wird, wenn Flashar die Wiederholungsprüfung mit Erfolg bestanden und seine Militärpflicht erfüllt hat. Ferner soll er der Schullehrer-Witwen u. Waisen-Versorgungsanstalt beitreten.
Im Jahre 1866 hatte die Kirchengemeinde die Orgel in der Pfarrkirche durch den Orgelbauer Randebrock zu Paderborn reparieren lassen. Am 15. Oktober 1867 begutachtet Friedrich Flashar die Reparatur und notiert, dass der neue Windregulator gut und dauerhaft gearbeitet ist und er einen großen Vorteil für die Orgel darstellt. Er unterschreibt: Flashar Lehrer und Organist. Hier wird zum ersten Mal dokumentiert, dass er auch den Orgeldienst in der Kirche übernommen hat. Die Kombination „Lehrer und Organist“ war – auch in den Jahrhunderten zuvor – sehr verbreitet. Dass er ein guter Organist war, zeigt ein Zeugnis von Pfarrer Schütze vom 29. September 1870. Er schreibt u.a.: (…) Flashar ist zugleich auch Organist. Als solcher findet er den vollkommensten Beifall der Gemeinde; man bewundert seine Gewandtheit im Spielen und er gilt allgemein für ein musikalisches Talent (…) September/Oktober 1868 muss Friedrich schwer erkrankt sein und weilte aus diesem Grunde bei seinen Eltern in Neheim. Sein Vater berichtet an Pfarrer Schütze am 15. Oktober 1868, Friedrichs Genesung schreitet langsam voran, die Kräfte mehren sich und er sei im Stande schon mit zwei Stöcken aus der Schlafstube in die Wohnstube zu gehen.
Aus den Protokollen des Schulvorstandes erfahren wir diverse Details über die Lehrer, zum Unterricht und über verschiedene schulische Probleme. So werden im August 1868 dem Lehrer Flashar und der Lehrerin Fahle die Zuschüsse für den Besuch auswärtiger Lehrerkonferenzen erhöht. Im November 1869 soll Lehrer Flashar einen überholten Unterrichtsplan neu erarbeiten. Der Schulvorstand bewilligt im Februar 1872 den Lehrpersonen eine Gehaltszulage von 50 Rtlr. für Lehrer Flashar und 40 Rtlr. für Lehrerin Fahle. Ferner wird beschlossen für die Schule Landkarten anzuschaffen und die Oberbretter der Schulbänke zu erneuern; sowie für die Mädchenklasse einen Katheder und der Sammelklasse zwei neue Bänke bereitzustellen. Am 12. Dezember 1872 wird Friedrich Flashar der königlichen Regierung zur definitiven Anstellung vorgeschlagen, welche dann auch im Mai 1873 bewilligt wurde. 1876 waren auf Anordnung der Preussischen Regierung die noch bestehenden Verbindungen zwischen geistlichen und weltlichen Schulämtern aufgehoben worden. Für die Schulstellen durften nur noch geprüfte weltliche Lehrer in Funktion treten. Der Soester Landrat teilte mit, dass Lehrer Flashar beauftragt sei, die obere Knabenklasse sofort zu übernehmen.
Noch 1873 erhält er, da er demnächst heiraten will, eine Erhöhung der Mietentschädigung um 30 Rtlr. Mit seiner Heirat wartete er allerdings noch noch circa zwei Jahre. Seine Braut, Maria Fernandine Ammermann, ehelichte er standesamtlich in Neheim am 18. Januar 1875 und kirchlich in Westönnen drei Tage später. Sein Vater und der Müllermeister Wilhelm Wälter aus Neheim übernahmen das Amt der Trauzeugen auf dem Standesamt. Müllermeister Wälter war der zukünftige Schwager, der Mann der Brautschwester Josefine. Bei der kirchlichen Hochzeit hatte man Heinrich Schulte aus Westönnen und die Witwe Ernst Küper aus Werl als Zeugen berufen. Die Braut Maria Fernandine kam am 22. Juli 1849 in Neheim zur Welt. Ihre Eltern, der Müller Hermann Josef Ammermann und Theresia Schilling, hatten bis 1847 in Rhynern gelebt und gingen dann beruflich nach Neheim. Die Mutter Theresia Schilling war eine gebürtige Westönnerin. Zwischen 1875 und 1884 wurden dem Lehrerpaar sechs Kinder geboren. Maria und Theresia am 13. Oktober 1875 als Zwillinge, Maria Ferdinandine am 18. April 1877, Maria Sophia am 30. Dezember 1879, Friedrich Joseph am 24. März 1881 und letztlich Franz Joseph am 9. März 1884. Die Zwillinge starben noch als Babys und Maria Sophia mit sechs Jahren. Um seine Familie ernähren und bekleiden zu können, reichte er wiederholt Gesuche um eine Gehaltserhöhung ein. Mehrfach wurden diese auch bewilligt.
Bei der Sitzung des Schulvorstandes am 10. Juni 1876 wurde Friedrich Flashar, als Lehrer der Ersten Klasse, ein Gehalt von 1500 Mark genehmigt. Es setzte sich wie folgt zusammen: Gehalt 1035 M., Mietentschädigung 120 M., Persönlicher Brennbedarf 60 M., Gartennutzung 15 M. und Organistentätigkeit 270 M. Sicherlich erhielt er auch für die musikalische Leitung des Gesangvereins Cäcilia eine gute Pauschale. 1887 beantragt er die Errichtung einer Dienstwohnung. Nachdem aber sein Vermieter eine Erweiterung seiner jetzigen Wohnung vornehmen will, zieht er den Antrag zurück und der Schulvorstand bewilligt ihm eine Erhöhung der Mietentschädigung um 75 Mark. Wo hat Lehrer Flashar eigentlich mit seiner Familie in Westönnen gewohnt? Hierüber geben uns die Klassensteuerrollen der Gemeinde Westönnen von 1878 und 1891 Auskunft. Diese befinden sich im Amtsarchiv, welches als Depositum im Stadtarchiv Werl lagert. 1878 wohnt Friedrich mit seiner Familie im Haus Nr.84, was dem Schenk-u. Landwirt und Krämer Wilhelm Wulf gehörte. (heute Gasthof Hagen) 12 Mark betrug der Jahresbetrag der Steuern. Da der Chor auch in diesem Hause den Gesang pflegte, brauchte Friedrich sicher nur eine Etage tiefer gehen. 1891 meldet die Steuerrolle, dass er mit fünf Personen im Hause Nr.83 wohnt und 42 Mark Steuern zahlen muss. Es handelt sich um das Haus in der Bachstraße, das der Familie Stasius gehörte.
Am 27. Mai 1882 gibt er eine umfangreiche Stellungnahme über die fehlerhafte Orgel in der Pfarrkirche ab. Er befürwortet die Maßnahmen, die der Orgelbauer Fischer vorgeschlagen hat und findet, dass dadurch die Orgel an Feinheit und Dauerhaftigkeit sehr gewinnen wird. Im Jahre 1888 gibt er ein Antwortheft (=Lösungsheft) für ein Rechenbuch im Verlag der A. Stein´schen Buchhandlung Werl heraus. Das Rechenbuch, bearbeitet von Anton Genau, war gedacht für Halbtagsschulen. In den Jahren ab 1896 wird oft von dem durch Krankheit verhinderten Lehrer Flashar berichtet und Vertreter für die ausfallenden Stunden bestellt. So ist dies bestimmt mit ein Grund, dass er sich mit 60 Jahren pensionieren ließ und auch den Dirigentenstab für den MGV nieder legte. In einem Bericht aus der Vereinschronik heißt es dazu: „In den Jahren 1897–1902 entbehrte der Verein der rechten Leitung, in dem der erkrankte Dirigent, Herr Lehrer Flashar, weder die Lust noch auch die Zeit fand, an den regelmäßigen Übungsstunden des Vereins sich herzubemühen.“
Für die Wiederbesetzung der Lehrerstelle wurden am 15. Mai 1902 zwei Kandidaten vorgeschlagen. Letztlich erhielt der Lehrer Franz Asshoff aus Oberense diese Stelle. Auch für die Sänger stellte sich dieser zur Verfügung und übernahm die Leitung des Chores. (siehe Online-Beitrag vom 21.04.2011 F. Asshoff, Lehrer in Westönnen)
Hinzu kam für Friedrich Flashar 1902 der Tod seiner Frau. Sie starb am 24. Februar 1902 an einem Hirnleiden und wurde drei Tage später auf dem Westönner Friedhof zu Grabe getragen. Friedrich zog darauf hin zu seiner Tochter Ferdinandine nach Bochum. Dort war sie verheiratet mit dem Lehrer Franz Wilmes, der aus der Büdericher „Lehrerdynastie“ Wilmes stammte. Am 3. Oktober 1906 meldet der Franz Wilmes dem Bochumer Standesamt, dass der Lehrer außer Dienst Friedrich Flashar, sein Schwiegervater, in seiner Wohnung in der Gneisenaustr. 7 verstorben sei.
Das Organ „Pädagogische Woche“ des kath. Lehrerverbandes berichtet in der Ausgabe Nr.42 vom 20. Oktober 1906/S.515, über Flashars Tod:
„Am Samstag den 6. Okt. d. J. begleitete das Kollegium der kath. Volksschulen von Bochum die Leiche des am 3. Okt. 11 ¾ Uhr vorm. verschiedenen Kollegen Friedrich Flashar, Lehrer emerit., zu Grabe. Der Heimgegangene war am 9. Nov. 1842 zu Rüthen, Kr. Lippstadt, geboren, hatte sich auf dem Gymnasium zu Brilon vorbereitet und übernahm, nachdem er auf dem Lehrerseminar zu Büren seine Studien vollendet hatte, zuerst eine Lehrerstelle an der Volksschule zu Meschede. Seit 1866 wirkte er dann in edler Begeisterung und treuester Pflichterfüllung 36 Jahre als Lehrer in Westönnen, Kr. Soest, und trat, nachdem ihm seine Gattin Ferdinandine Ammermann, mit welcher er 27 Jahre ein glückliches Familienleben geführt hatte, durch den Tod entrissen worden war, am 1. April 1902 in den wohlverdienten Ruhestand. Seitdem wohnte er bei seinem Schwiegersohn, Lehrer Franz Wilmes, in Bochum, wo er sich als treuer Verbandsbruder, der an der Wiege des Westf. Provinzialvereins des Kath. Lehrerverbandes zu Werl gestanden hatte, dem Kath. Lehrerverein für Bochum und Umgebung anschloß. Der Verein nahm ihn als Ehrenmitglied in seine Reihen und empfing in ihm ein warmfühlendes Vereinsmitglied, dessen stillernste, treue, biedere Westfalennatur die Sympathie eines jeden erwarb, mit dem er in Verkehr trat. Zahlreich war daher auch die Beteiligung der Kollegen und Kolleginnen, ein schönes Zeichen kollegialen Geistes. Ein stattlicher Männerchor sang dem pflichtgetreuen Berufsgenossen und liebenswerten Verbandsbruder die letzten Grüße in das Grab hinab. Möge ihm der Lohn für treue Pflichterfüllung und segensreiches Wirken in seinem hehren Berufe aus der Hand des Ewigen in reichem Maße zugeteilt werden, ihm, dem wir ein ehrendes Andenken bewahren wollen!“
Nachzufragen wäre noch: Wer war denn der erste musikalische Leiter des MGV Cäcilia Westönnen für die Jahre 1854 bis 1866? Wie schon berichtet, übernahmen früher die Lehrer in der Regel auch den Organistendienst in den Ortskirchen. Es ist also anzunehmen, leider nicht überliefert, dass der Vorgänger von Friedrich Flashar, Franz Bernhard Kenter, auch den MGV geleitet hat. Mitglieder der Familie Kenter waren viele Jahre in Westönnen als Lehrer, Organisten und Küster tätig.
Autor: Dieter Holtheuer