Vor der Bundestagswahl am 24.9. möchten wir mit einer vierteiligen Serie einen Blick zurückwerfen auf die Reichstagswahlen in der Weimarer Republik. An Hand von Zeitungsausschnitten geben wir einen Überblick über die Ergebnisse und den Wahlkampf. In 15 Jahren von 1919 bis 1933 gab es 9 Wahlen zum Reichstag. In dieser Zeit wurden 14 Politiker zum Reichskanzler ernannt. Sie gehörten entweder der SPD, der Zentrumspartei oder der Deutschen Volkspartei an. 4 Reichskanzler waren parteilos. Am längsten regierte mit etwas über 2 Jahren der Zentrumspolitiker Wilhelm Marx.
1925 hatte Deutschland 62411000 Einwohner. 1933 hatte Westönnen 1425 Einwohner, Mawicke 302, Niederbergstraße 227 und Oberbergstraße 166. Diese Zahlen als Information, da die Wahlergebnisse nur als abgegebene Stimmen, die eine Partei erhielt, zu ermitteln waren.
Die Wahl vom 19. Januar 1919
Diese Wahl war die Wahl für die verfassungsgebende Versammlung, die dann am 6. 2. 1919 zur ersten Sitzung im Weimar zusammentrat. Wegen Unruhen in Berlin, die die Sicherheit der Politiker gefährdeten, wurde das Nationaltheater in Weimar als Versammlungsort ausgewählt.
Bei der Reichstagswahl hatten Personen, die am Wahltag 20 Jahre alt waren, das Wahlrecht. Zum ersten Mal durften auch Frauen wählen. Nach dem Verhältniswahlrecht erhielt jede Partei je 60000 Stimmen einen Abgeordnetensitz. Es gab keine 5 % Hürde wie bei heutigen Wahlen. Die Parteien, die bei der ersten Wahl nach dem ersten Weltkrieg dann die meisten Stimmen erreichten waren:
USPD
(Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands) Diese Partei hatte sich 1917 von der SPD abgespalten. Ihre bekanntesten Politiker waren Kurt Eisner und Richard Lipinski (Ministerpräsident in Sachsen) oder Georg Ledebour.
SPD
(Sozialdemokratische Partei Deutschlands) Die bekanntesten Politiker in der Weimarer Republik Friedrich Ebert (Reichspräsident), Philipp Scheidemann und Hermann Müller. Beide waren Reichskanzler.
Zentrumspartei
Diese Partei wurde 1870 gegründet. Sie vertrat die Katholiken Deutschlands. Mit Constantin Fehrenbach, Joseph Wirth, Wilhelm Marx und Heinrich Brüning stellte sie 4 Reichskanzler. Auch heute tritt sie bei Wahlen noch an. Sie ist die älteste Partei Deutschlands.
DVP
(Deutsche Volkspartei) Eine Nationalliberale Partei, deren Anhänger eher protestantisch waren. Ihr bekanntester Politiker war Gustav Stresemann, der 1923 kurzzeitig Reichskanzler war.
DNVP
(Deutschnationale Volkspartei) Eine nationalkonservative Partei. Alfred Hugenberg (Verleger) und Wolfgang Kapp (Mitinitiator des Kapp-Putsches) waren ihre bekanntesten Politiker. Sie kooperierte mit der NSDAP und verlor an Bedeutung.
DDP
(Deutsche demokratische Partei) Friedrich Naumann, Walther Rathenau (Außenminister), Theodor Heuss (erster Bundespräsident nach dem 2. Weltkrieg) waren die bekannten Vertreter dieser Partei, die 1933 aufgelöst wurde.
Deutschlandweit erreichte die SPD mit 37,9 % die meisten Stimmen. Zweitstärkste Partei wurde das Zentrum mit 19,7 % knapp vor der DDP mit 18,6 %.
Auch in unserem Kirchspiel wurden Wahlversammlungen abgehalten. Da das weibliche Geschlecht zum ersten Mal das Stimmrecht hatte, gab es für Frauen Versammlungen. So berichtet der Westfälische Volksfreund (WV) von der großen Frauenversammlung der Zentrumspartei (ZP im folgenden). Der WV berichtet auch von einer Versammlung der ZP v. 12. 1., die so großartig war wie nie eine Versammlung zuvor. Hauptredner war Pater Ludgerus aus Werl, der über die Sozialdemokraten, die „Lieblingsgegner“ der ZP sprach. Der WV schreibt u. a.:
Eine Rede, so packend, so klar, so warmfühlend für das Volk, so überzeugend, so volkstümlich, wurde mit kräftigen Beifallsbezeigungen begleitet und riß die 250 Männer und Jünglinge so mit sich fort, daß nach dem Schlusse alle sich erhoben, um mit weithinschallender Stimme den Taufschwur zu erneuern: Fest soll mein Taufbund immer stehn, ich will die Kirche hören. Zum Schluss schreibt der WV: Die imposante Versammlung fand ihren Abschluß mit einem donnernden „Hoch“ auf die Zentrumspartei und dem feierlichen Gesange „Großer Gott wir loben dich“.
Die ZP lud die Sozialdemokraten auf ihren Plakaten zu Besuch ihrer Versammlungen ein. Einen Gegenbesuch unternahmen Mitglieder der ZP bei einer Versammlung der SPD in der Wurstfabrik Pähler mit 70 Teilnehmern. Der WV berichtet am 14. 1. Leiter der Versammlung war Herr Bartmann, Redner Herr Storch aus Hamm. Es gab eine lebhafte Diskussion mit Rektor Hötte von der ZP über verschiedene Behauptungen und Vorkommnisse. Der Artikelschreiber endet etwas triumphierend:
Ohne das übliche Hoch auf die Sozialdemokratie ging die Versammlung auseinander.
Nur das Centralvolksblatt veröffentlicht am 22. 1. Wahlergebnisliste von Westönnen. Danach erhielt die ZP 900, die SPD 56, die DVP 8 Stimmen. Insgesamt sind das 964 Stimmen. Da Westönnen 1933 1425 Einwohner hatte, kann vermutet werden, dass das nicht nur Stimmen aus Westönnen sind, evtl. auch aus den Nachbardörfern.
Die Ergbnisse im Kirchspiel:
Die Ergebnisse in Deutschland (Quelle Wikipedia):
Sonstige Dokumente: