Proteste oder Demonstrationen gelten in unserem Dorf eigentlich als verpönt. Unter dem Dach der Bruderschaft ja sogar als verboten.
In manchen Fällen, insbesondere zu Diensten einer guten Sache, werden sie dann aber hin und wieder doch geduldet.
So war es auch in den 70er Jahren, anlässlich eines Schützenfestes, vermutlich im Jahre 1977, als sich eine Gruppe unzufriedener Schützenbrüder zusammenschloss, um für die Abschaffung eines für sie nicht mehr akzeptablen Missstandes zu demonstrieren.
So waren es an vorderster Front Leo Goldstein als Sprecher und Organisator des Widerstandes, sowie Lothar Klose, der für die kurzfristige Erstellung eines Transparentes in der Schulmöbelfabrik Hering zuständig war(siehe Foto).
Zur Sache: Sehr lange schon, vermutlich seit 1949 wurde auf allen Westönner Festen Thier Bier verzehrt. Als sich die damaligen Entscheidungsträger zu diesem wichtigen Schritt entschieden, spielte nicht nur die kurze Entfernung zur nahegelegenen Bierstadt Dortmund eine Rolle. Unsere Halle befand sich nach den schweren Kriegsjahren in einem schlechten Zustand. Die für die Renovierung dringend benötigten Finanzmittel fehlten. Nur durch die Bereitstellung eines Darlehens von der Thier-Brauerei wurden die Renovierungsarbeiten fortgeführt. So konnte nach einem außergewöhnlichen Kraftakt vieler Schützenbrüder die Halle schon zum Schützenfest 1949 wieder bezogen werden.
Bei einer zufälligen Recherche eröffnete sich für mich aber noch ein weiterer interessanter Hintergrund, der bei der damaligen Entscheidungsfindung sicherlich auch berücksichtigt wurde. Unter dem Titel“ Hopfen und Malz, der Pott erhalt`s“, beschreibt der Dortmunder Journalist Jens Witte die Situation um die Bierstadt Dortmund. So zitiert er in seinem Artikel die Worte eines Dortmunder Lokalpatrioten, der die Dortmunder Bierkultur der Nachkriegszeit, begleitet von Kohle und Stahl, folgendermaßen schildert:
„Die ganze Stadt roch nach Bier. Rund siebeneinhalb Millionen Hektoliter füllten die Brauereien dort jährlich ab, so viel wie nirgendwo sonst in Europa. Es gab Arbeiterbier(Hansa), Sonntagsbier(Kronen) protestantisches Bier(Union) und auch katholisches Bier(Thier).“ Soll mir doch keiner erzählen, dass dieser Zusammenhang für die Westönner Bierkultur keine Bedeutung gefunden haben soll. Und so tranken die Westönner zunächst mit großer Freude Thier-Bier.
Nun ja, aber nur so lange bis sich in den 70er Jahren gegen die besagte Sorte Protest regte. In vielen Westönner Gaststätten wurde bereits die Sauerländer „Edelmarke“ Veltins angeboten. Auch in den meisten Westönner Kellern lagerten viele Flaschen der wohltuenden Sorte, auf die sich der Herr des Hauses den ganzen Tag freuen durfte. Und eben dieses äußerst leckere Getränk forderten nun die Westönner Protestler um Leo Goldstein auch für unser Schützenfest ein.
Damit diese Forderung auch wirklich Beachtung fand, wurde diese durch einen Westönner Schützenbruder vom Hackenfeld auf der Jahreshauptversammlung am 25.02.1978 nochmals bekräftigt. Bei einer sich anschließenden Abstimmung entschieden sich die Versammlungsteilnehmer zu einem Wechsel der Biersorte. Mit diesem Beschluss sah sich der damalige Vorstand um Brudermeister Fritz Nieder aufgefordert, den Wechsel in die Wege zu leiten. Seitdem wird auf dem Schützenfest nur noch Veltins gezapft. Übrigens wurde Thier-Bier weiterhin noch bis Anfang der 80er Jahre zum „Tanz in den Mai“ angeboten.