Nachdem im Juni 2008 das Heiligenhaus bei Familie Sauer (4. Station der Fronleichnamsprozession), im Mai 2013 das Hl. Haus Breite Straße (1. Station der Brandprozession) und im August 2014 das Hl. Haus der Familie Bömelburg in der Oststraße (3. Station Fronleichnam) renoviert wurden, hat in diesem Jahr die Familie Schriek ihr Hl. Haus an der Weststraße saniert.
Mit viel Liebe, Mühe und hohem Aufwand ist die Station und deren Umfeld neu gestaltet worden. Wie seit vielen Jahren wird auch dieses Jahr wieder die Fronleichnamsprozession dort zur ersten Station anhalten.
Die Geschichte dieses Hl. Hauses ist schwer zu beschreiben, da, wie auch bei anderen Heiligenhäusern, keine schriftlichen Überlieferungen vorhanden sind. Trotzdem ist einiges zu berichten. An der linken Außenmauer an der Innenseite ist schwach die Zahl 1870 zu erkennen. Man darf wohl annehmen, daß in diesem Jahr das Heiligenhäuschen errichtet wurde. Das ganze Bauwerk ist aus großen hellen Sandsteinplatten (nicht aus grünem Westönner Sandstein) zusammengesetzt. Im Innenraum befindet sich ein Altartisch mit einem Extrasockel für eine Heiligenfigur. Hierzu wird später etwas mehr berichtet. In der Altarwand, sie ist auch aus einer Platte aus hellem Sandstein, sind vier flache rundbogige Blendnischen mit einer kaum mehr lesbaren eingemeißelten Inschrift zu sehen. Zurzeit wird versucht, aus den noch lesbaren Buchstaben und Wörtern einen Sinnspruch zu rekonstruieren.
Betrachtet man sich die Altarfront aufmerksamer, so muß man feststellen, dass sie vom Stil her, mit romanischen Rundbögen, vom Gesamtbild des Bauwerks abweicht. Stammt diese Platte etwa von einem Seitenaltar aus unserer Pfarrkirche? Denn der damalige Pfarrer Johann Wilhelm Schütze (Pfarrer von 1864 – 1871) ließ zu seiner Zeit die Seitenaltäre abreißen und ersetzte sie durch neue rein gotische. Einer der beiden Altäre war der Mutter Gottes geweiht. Hierauf könnten die noch lesbaren Worte in der Tafel hinweisen. Man entziffert dort Worte wie: „Maria, Haupt, Sternen prangt, Mutter, die im Vertrauen“.
An der Vorderkante des Figurensockels auf dem Altar ist ebenfalls eine Inschrift in Frakturschrift aufgetragen, aber schwach zu erkennen und zu lesen. Ihr Text ist aber bekannt und lautet:
“ O IHR ALLE DIE VORÜBER GEHEN SEHET OB EIN SCHMERZ GLEICH SEI MEINEM SCHMERZ“
In der Station steht eine Figur aus Gips, die die „Pieta“ darstellt (die Darstellung Marias mit dem Leichnam Christi). Diese Figur wurde 1993 aus dem Hl. Haus gestohlen. Jugendliche aus Hamm waren die Diebe; sie wurden allerdings erwischt und die Statue von der Polizei sichergestellt. So kam das Bildnis, allerdings mit zerbrochenen Elementen, nach Westönnen zurück. Da die Pieta recht unansehnlich war, hat die Familie Schriek später eine andere Marienstatue hineingestellt. Die Pieta soll auch noch im Laufe der ganzen Umgestaltung restauriert und wieder aufgestellt werden.
Zum Schluß noch etwas zu den Stiftern dieser Station. Wir können annehmen, daß dies die um 1870 auf dem Hof lebende Familie war. Der Hof war damals im Besitz der Familie Vogelsang. Adolf Vogelsang bewirtschaftete mit seiner Frau Maria, eine geborene Rogge gnt. Ostermann, das Anwesen. Adolf wurde am 16.11.1819 als erstes Kind des Johann Theodor Vogelsang und der Anna Catharina Margarete Mellmann gnt. Keweloh geboren. Er starb am 13. Juli 1889 mit 70 Jahren durch eine Gallenerkrankung (-Stein). Am 14. Juni 1855 hatte er in der Westönner Pfarrkirche die genannte Maria geheiratet. Sie stammte aus Illingen, geboren am 27. September 1831, und war die Tochter des Kolonen Wilhelm Rogge gnt. Ostermann und der Franziska Steinau. Sie schied am 22. März 1906 an Altersschwäche mit 74 Jahren aus dem Leben. Dem Paar wurden zwischen 1857 und 1874 elf Kinder, sechs Söhne und fünf Töchter, geboren.
Aus welchem Anlaß die Familie Vogelsang den Bildstock errichtete, wissen wir nicht. War es aus Dankbarkeit über den glücklichen Verlauf eines Unfalls? Oder war es ein anderer Grund? Etwa eine erfreuliche Heimkehr, die Heilung von einer schweren Krankheit oder die Erfüllung eines Gelübdes?
War es vielleicht, allerdings rein spekulativ, etwa so: Der Vater Adolfs, Johann Theodor Vogelsang, war im Juli 1825, 7 Jahre nach seiner Hochzeit, im eigenen Steinbruch tödlich verunglückt. Die Mutter heiratete anschließend den Adam Theodor Romberg gnt. Kerkhoff. Laut Kirchenbuch der Pfarrei St. Blasius Balve starb dieser am 15. November 1861 mit 63 Jahren an einem nervösen Fieber in Balve und wurde dort auch zu Grabe getragen. Warum dies dort geschah, darüber geben die Archivalien keine Auskunft. Erst 1885 starb die Bäuerin mit 87 Jahren an Altersschwäche. Sie war sicherlich neben ihrem Sohn, noch die treibende Kraft auf dem Hof und somit sicher auch die Mitgründerin des Heiligenhauses im Jahre 1870.
Im Anhang einige Bilder der Figuren und des Heiligenhauses vor und nach der Neugestaltung.
Das Fotos Nr.1 ist die z.Z. älteste bekannte Aufnahme. Sie wurde uns von der Volkskundlichen Kommission/LWL in Münster zur Verfügung gestellt. 1964 hatte Otto Balkenholl aus Hemmerde das Foto erstellt und über das Hl. Haus eine Baubeschreibung verfaßt. Er notiert 1964, dass schon da die Inschrift in der Altarplatte nicht mehr lesbar war. Weiter führt er aus, dass in dem dreieckigen Giebel die Buchstaben J S N J erscheinen.
J S N J = Jesus Salvatoris Nostris Judäa = Jesus, unser Erretter aus Judäa
Autor: Dieter Holtheuer