Beim Forschen und Recherchieren über diverse heimatgeschichtliche Begebenheiten bin ich auf ein Ereignis gestoßen, dass bis heute in Westönnen wenig bekannt war. Auch in der Literatur zur Geschichte Westönnens fand sich nur ein kleiner Hinweis. Lediglich Rudolf Preising notiert in seiner Schrift „Westönnen – Geschichte eines Kirchspiels und seiner Höfe im kurkölnischen Amte Werl, 1977“ auf Seite 20, unter Schulte zu Oberbergstraße u. a.:
„(…) Von den Kindern dieses Ehepaares starben gleich vier im Jahre 1819, die Töchter Maria Anna Aloisia (* 23.11.1806), Maria Christina (* 05.10.1812) und Maria Elisabeth (* 02.09.1815) und der erst am 20.12.1818 geborene einzige Sohn Caspar. Die Todesursache kennen wir nicht. Es liegt nahe, an eine ansteckende Krankheit zu denken (…)“.
Mit dieser Vermutung liegt Rudolf Preising vollkommen richtig. Bei genauerer Untersuchung dieser vier Todesfälle im Westönner Kirchenbuch ergibt sich folgendes Bild:
Maria Christina starb am 5. Januar 1819 an der „häutigen Bräune“. Maria Anna Aloisia und Maria Christina starben beide fünf Tage später, am 10. Januar 1819 an der gleichen Krankheit. Der Sohn Caspar schied im gleichen Jahr, am 20. Dezember am Scharlachfieber, aus dem Leben. Die zweitgeborene Tochter (* 06. Juni 1808), ebenfalls auf den Namen Maria Anna Aloysia getauft, war bereits am 12. April 1809, ohne Nennung der Todesursache, gestorben.
Wenden wir uns den drei Todesfällen wegen der „häutigen Bräune“ zu. Im Jahre 1819 sind im Kirchspiel 106 Personen gestorben. Vergleicht man diese Zahl mit denen der Jahre vor und nach 1819, so ergeben sich folgende Daten:
1817 = 22 Sterbefälle.
1818 = 36 Sterbefälle.
1819 = 106 Sterbefälle.
1820 = 33 Sterbefälle.
1821 = 30 Sterbefälle.
Das heißt, 1819 sind ca. drei- bis viermal mehr Menschen in Westönnen gestorben, als die Jahre zuvor und danach. In der angefügten Statistik sieht man den hohen Anteil der gestorbenen Kinder im Alter zwischen 10 Monaten und 12 Jahren. Man muss auch feststellen, dass die Sterblichkeit im Kirchspiel sich nicht nur auf Westönnen bezieht, auch Mawicke, Oberbergstraße, Niederbergstraße, Lohe und Sieveringen sind betroffen. Grund dieser hohen Kindersterblichkeit ist die sogenannte „häutige Bräune“.
Pfarrer Voss (Pfarrer von 1809-1840) notiert die Todesursachen im Kirchenbuch unter verschiedenen Bezeichnungen. Er schreibt: „häutige Bräune“, „Bräune“, „Halsbräune“, „Halsentzündung“ und „Krupp“.
Um was handelt es sich nun bei dieser Erkrankung? Hierzu einige Auszüge aus der Literatur:
(…) Im engeren Sinne bezeichnet der Name Krupp, auch Halsbräune oder häutige Bräune den Kehlkopfskrupp, d.h. eine kruppöse Entzündung der Schleimhaut des Kehlkopfes und der Luftröhre. Das Vorkommen des Krupps beschränkt sich meistens auf das Alter vom 2. bis 7. Lebensjahr und ist eine der gefährlichsten Krankheiten dieses Alters. Nicht selten beobachtet man ein epidemisches Auftreten des Krupps. Manche Tatsachen sprechen auch für eine Verbreitung des Krupps durch Ansteckung. In diesen Fällen handelt es sich um meistens um Diphtherie. (…)
Das heißt, Ende 1818 und Anfang 1819 ist das Kirchspiel Westönnen wohl von einer Diphterie-Epidemie heimgesucht worden, an der viele junge Menschen ihr Leben verloren haben. Eine Impfung gab es erst 80 Jahre später.
Weitere Infos siehe: Wikipedia – Diphtherie
Ergänzend ist hinzuweisen auf den Beitrag von WESTÖNNEN ONLINE vom 14.09.2007. Hier wurde über die „Rote Ruhr“ berichtet, die 1741 in Westönnen grassierte. 81 Menschen starben in dem Jahr. Die meisten Sterbefälle waren im September und Oktober. Es waren ca. 2 1/2 bis 3 mal mehr als in den Jahren 1740 (33) und 1742 (28).
Autor: Dieter Holtheuer