Man stelle sich einmal vor, Westönnen hätte keine Schützenhalle. Nein, das geht ja mal gar nicht. Die Westönner Schützenhalle, 1925 fertiggestellt und 1992 durch hohen Kostenaufwand in eine Gemeinschaftshalle umgebaut , ist aus dem Leben des Kirchspiels nicht mehr weg zu denken. Einen Westönner, der nicht mit seinem Verein oder seiner Familie hier gefeiert hat, den gibt es nicht. Doch die Anfänge der Halle waren umstritten. Als im Jahr 1922 mit dem Bau begonnen wurde, waren sich die Schützenbrüder nicht einig. Die Anfänge der Weltwirtschaftskrise traf als erstes die Arbeiter und vielen erschien der Hallenbau in dieser Zeit deshalb nicht angebracht. In einer Ankündigung des Schützenfestes 1954 zum 325-jährigen Jubiläum wurde ein Leserbrief mehrerer Westönner Schützenbrüder aus dem Jahre 1925 angedruckt, der diese Stimmung dokumentiert. Der Zeitungsartikel von 1954 wurde uns von Willi Mertin zur Verfügung gestellt – vielen Dank dafür.
Der Leserbrief :
In letzter Zeit ist verschientlich vom Bau einer Schützenhalle in Westönnen berichtet worden. Es wurde bekanngegeben, daß mit den ersten Arbeiten bereits begonnen worden sei und verschiedene Eingesessene in den Feierstunden unentgeltlich Arbeit verrichten. Auch wir danken diesen braven Männern für ihre rastlose Tätigkeit. – Aber trotzdem müssen wir uns diese Frage vorlegen: Ist es möglich, in dieser schweren Zeit eine moderne Schützenhalle zu bauen? Dies müssen wir ganz entscheiden verneinen.
Bei der großen Geldknappheit sind die meisten Eingesessenen nicht einmal in der Lage, ihre Steuern zu bezahlen. Woher sollen die Gelder kommen? – Ferner würde es in manchen Kreisen sicherlich sehr unangenehm empfunden werden, eine Schützenhalle zu bauen, wo doch noch große Wohnungsnot vorhanden ist.
Wir haben nicht mal eine Lehrerwohnung und der erste Lehrer ist seit mehreren Jahren gezwungen, täglich nach Soest zu fahren. Ferner sind verschiedene Arbeiterwohnungen menschenunwürdig. Unserer Ansicht würde der Allgemeinheit viel besser gedient sein, wenn zunächst mal die Wohnungsnot behoben würde. Dann könnte später, wenn bessere Zeiten eingetreten sind und sich die Mehrheit der Schützenbrüder zu diesem Bau entschließen sollten, dieselbe gebaut werden.
Auch wurde in dem Artikel erwähnt, die Jugendvereine hätten ein großes Interesse daran und würden es begrüßen, wenn die Halle gebaut würde, damit sie dort ihre Versammlungen usw. abhalten können.
Weiter im Leserbrief….
Auch diese Ansicht ist irrig. Wir haben in Westönnen bei dem Gastwirt Herrn H. Hagen einen schönen Saal, wo derlei Versammlungen genügend stattfinden können. Zum Schliß sein noch erwähnt, das jahrhundertelang das Schützenfest (2 Tage im Jahr) unter Zelten gefeiert wurde und sicherlich in dieser schweren Zeit Veranlassung haben, eine Schützenhalle zu bauen. Hoffentlich wird der „rührige Schützenvorstand“ noch Rücksicht auf die Ansicht der „gedankenlosen“ Gegner nehmen, damit die betreffende Angelegenheit zum Wohle der Allgemeinheit ende.
Unterzeichnet wurde der Leserbrief mit „Mehrere Schützenbrüder“
Dass es einen Zwist innerhalb der Bruderschaft aufgrund des Hallenbaus in dieser Zeit gegeben haben muss zeigen Formulierungen wie „gedankenlose Gegner“. Und der Leserbrief wird sicher nicht zur Verbesserung der Stimmung beigetragen haben.
Quelle Leserbrief: Ausgabe 157 des Soester Anzeigers am 11. Juli 1954
Autor: Manfred Zeppenfeld / Willi Mertin