Am letzten Samstag, dem 12. Februar 2022 fand unter anderem im Hegering Werl, dem der Gemeindejagdbezirk Westönnen angehört, die jährliche, revierübergreifende Taubenjagd statt. Westönnen Online Redakteur Klaus Hennemann stellt dazu zehn Fragen an den Westönner Jäger Heinz Rademacher.
Klaus Hennemann: Um was ging es bei dieser Jagd und was wurde bejagt?
Heinz Rademacher: Es ging darum, die Bestände an Arten, die nachteilig für die Landwirtschaft sind oder die sich von anderen Tieren – insbesondere von Vogelarten – ernähren, auf eine für den hiesigen Biotop erträgliche Größenordnung zu reduzieren. Gejagt wurde im Wesentlichen auf Ringeltauben, Rabenkrähen und Elstern. Aber auch andere Prädatoren wie Füchse oder Waschbären konnten erlegt werden.
Klaus: Wie können Tauben in der Landwirtschaft Schaden anrichten?
Heinz: Tauben sind Schädlinge für Gemüsepflanzen, Raps und teilweise auch Getreide. Tauben haben keine Zähne und können ihre Nahrung nicht abbeißen, sie können nur zupicken und dann das abreißen was sie im Schnabel haben. Bei Gemüsepflanzen reißen sie das nur das mittlere Blatt raus; der Rest wird stehen gelassen und sie gehen zur nächsten Pflanze. Das mittlere Blatt wird als das Herzblatt bezeichnet; es ist der zarteste Teil der Pflanze. Deshalb verzichten die Tauben auf den für sie weniger schmackhaften Teil der Pflanze. Fehlt dieses Herzblatt oder ist es stark beschädigt, stirbt die Pflanze ab.
Klaus: Kann es die Landwirtschaft nicht verkraften, ein paar Pflanzen zu verlieren?
Heinz: Eine Taube kann schon mal Pflanzenteile im Wert von mehreren Euro im Kropf haben. Und sie haben jeden Tag Hunger. Wir sehen jetzt im Winterhalbjahr auf den Westönner Feldern große Schwärme an Tauben und Krähen in deutlich dreistelliger Größenordnung. Die Masse machts. Da kann dann schon mal eine ganz beträchtliche Schadenshöhe zusammenkommen.

Klaus: Warum wurden auch Krähen bejagt?
Heinz: Für Krähen gilt das Gleiche wie für Tauben; sie verursachen ebenfalls Schäden auf landwirtschaftlichen Flächen. Speziell bei gelegtem Mais zupfen sie den Keimling aus der Erde und fressen dann das Korn. Auch hier ist es die Menge an Krähen, aus denen die Schäden resultieren. Weiterhin haben sie in regenarmen Sommern die Angewohnheit, Kohlköpfe, Wirsing, Kohlrabi etc. anzupicken, weil sie so an die in der Pflanze enthaltene Feuchtigkeit kommen. Die angepickten Pflanzen können dann im Einzelhandel nicht mehr angeboten werden. Landwirte haben schon versucht, dieser Angewohnheit entgegenzuwirken, indem sie Tränken an den entsprechenden Feldern aufgestellt haben. Das war erfolglos. Darüber hinaus sind Krähen auch erfolgreiche Nesträuber.
Klaus: Und warum standen Elstern mit auf der Bejagungsliste?
Heinz: Weniger wegen der Landwirtschaft; hauptsächlich wegen der Nesträuberei. Elstern gehören wie die Krähen zu den Rabenvögeln und diese sind generell bei der Beschaffung ihrer Nahrung sehr clever. Sie suchen Hecken, Baumreihen und auch den Boden systematisch nach Nestern und anderer Beute ab und bedienen sich dann. Sie ergreifen auch Nestlinge, erwachsene Vögel und Haarwild. Gegenwärtig beobachten wir nur eine geringe Population an Singvögeln in Westönnen. Vor einiger Zeit wurde in einem Beitrag auf Westönnen Online (Anm. der Redaktion: Artikel von Norbert Kienz vom 16. Juli 2017) der Rückgang an Kiebitzen in Westönnen beklagt. Das ist jetzt nicht mehr erforderlich; Kiebitze sind hier inzwischen ganz ausgerottet. Krähen und Elstern haben einen Anteil daran.

Klaus: Wie läuft eine solche Jagd ab?
Heinz: Anders die normalen Treibjagden, die als Gesellschaftsjagden bezeichnet werden, ist die Taubenjagd eine Einzeljagd. Alle Teilnehmer bekommen auf das ganze Revier verteilt einen individuellen Platz an Stellen zugewiesen, wo erwartet werden kann, dass sie von Tauben angeflogen werden. Das sind hohe Bäume und speziell zu dieser Jahreszeit Rapsfelder.
Klaus: Warum wird revierübergreifend gejagt?
Heinz: Wenn ein Schuss fällt oder die Tauben anderweitig wie etwa durch Spaziergänger aufgeschreckt werden, dann fliegen sie zu einem anderen Platz und verweilen dort bis sie sich wieder gestört fühlen. Wenn nun an vielen Stellen Jäger platziert sind, dann sind die Tauben viel in Bewegung, was den Jagderfolg verbessert. Und wenn das gleichzeitig in den umliegenden Revieren ebenfalls passiert, verbessert das den Gesamterfolg erneut.
Klaus: Warum wurde im Ort auch auf dem Friedhof gejagt?
Heinz: Ringeltauben gelten als Kulturflüchter, was bedeutet, dass sie Ortschaften meiden. Seit einigen Jahren hat sich das geändert. Wie auch die Krähen und andere Wildtiere haben sie sich an die menschliche Umgebung gewöhnt, weil sie in dieser Umgebung Futter finden. Sie übernachten bevorzugt an bestimmten, gleichen Stellen, den sogenannten Schlafbäumen. Von dort aus lassen sie ihre Stoffwechselprodukte fallen. An Plätzen, wo sie lange verweilen, kann da so einiges auf einen Haufen kommen, der bis zum nächsten großen Regen auch so da liegen bleibt. In einem Vorgarten mag es nicht so schlimm sein und als natürlicher Dünger gelten, aber beispielsweise im Ketteler-Park, wo sich häufig Kinder aufhalten, ist es nicht so schön. Und außerdem machen Tauben im Sommer frühmorgens zu Zeiten lautstark auf sich aufmerksam, zu denen man wirklich noch nicht aufstehen will und worüber nicht alle Dorfbewohner erfreut sind. Wenn wir die innerörtliche Population etwas einbremsen wollen, dann geht das nur auf bebauungsfreien Flächen, auf denen die Jagd zugelassen wird und an denen sich Tauben aufhalten. Der Friedhof ist eine solche Fläche, der Ketteler-Park wäre es nicht.
Klaus: Was wurde am letzten Samstag im Westönner Revier so alles erlegt?
Heinz: Wir hatten eine Strecke von 79 Tauben, einer Krähe, fünf Elstern und einen Fuchs.

Klaus: Also hauptsächlich Tauben. Was passiert denn jetzt mit denen?
Heinz: Die werden dem Verzehr zugeführt. Wie alles Wild ist auch die Taube ein Bio-Produkt. Und es wäre doch schade, ein solches Bio-Produkt nicht zu verwerten.
Vielen Dank Heinz Rademacher für das Interview und Dank an Franz-Josef Hering für das Bildmaterial.