Am 1. August 1914 ordneten sowohl die französische Regierung als auch der Deutsche Kaiser die Mobilmachung ihrer Armeen an. In den beiden Tagebüchern des Chronisten und damaligen Schulleiters der Katholischen Volksschule Westönnen, Franz Asshoff, finden sich zahlreiche Berichte zu dem Krieg, der über 17 Millionen Menschenleben forderte. Die Bücher Asshoffs tragen den Titel „“Der Krieg v. 1914 – 18, die Schule und die Schulgemeinde“, und befanden sich viele Jahre im Besitz von Felix Kenter. „Übersetzt“ wurden sie nach Erhalt vom Online-Autor Ferdi Newe (Wir berichteten). Heute nun ein Bericht Asshoff’s in dem er sich mit der veränderten Lebensweise während des Krieges befasst.
Veränderte Lebensweise während des Krieges – (aus den Tagebüchern von Franz Asshoff)
Im 1. Kriegsjahr waren alle Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände noch vollzählig vorhanden. Im 2. Kriegsjahr stellte sich schon Mangel ein. Dieses hat sich fortwährend gesteigert und mannigfache Veränderungen in der Lebensweise zur Folge gehabt.
Leder und Garn, bzw. Schuhe und Strümpfe sind sehr rar und teuer geworden. Ein Paar Schuhe für Erwachsene kosten 50 M und darüber, Schuhe für Kinder 25 – 30 M. Dazu sind sie nur gegen Bezugsscheine zu haben. Ein Paar Strümpfe kosten ca. 20 M. Infolgedessen hat man in den Sommer- und Herbstmonaten viele Kinder ohne Strümpfe und Schuhe, oder mit sehr kurzen Strümpfen und sogenannten Kriegsschuhen, d. sind Schuhe mit Holzsohlen. Auch tragen Kinder und Erwachsene Holzschuhe (Paar c. 2,50 M) Fast allgemein sieht man lederne oder eiserne Sohlenschoner.
Hemdentuch, welches früher 0,30 M kostete, muß jetzt mit 7 – 8 M p. M. bezahlt werden. Noch ungleich höher im Preise steht Leinen. An Neuanschaffungen können deshalb die meisten Leute nicht denken. Aus alten Bettüchern werden vielfach Hemden etc. angefertigt.
Ähnliche Preiserhöhungen zeigen sich auch bei Kleiderstoffen. Für einen Anzug, der früher 60 – 70 M kostete, zahlt man jetzt bis 200 M. Dazu ist die Qualität viel schlechter. Deshalb wird an Kleidern sehr gespart. mancher abgetragene Anzug wird wieder gebraucht, manches schon an die Seite gestellte Kleidungsstück wird umgearbeitet.
Stärke ist sehr teuer und kaum zu haben. Deshalb tragen viele ungestärkte Wäsche oder sogen. Dauerwäsche. Der Waschtag ist für die Frauen ein gefürchteter Tag. Seife ist nicht mehr zu haben. Seifenpulver wird nur gegen Karten abgegeben. – Stückseife zur Körperwäsche, die früher 0,10 – 0,25 M kostete, wird jetzt für 4 – 8 M verkauft.
Nicht minder groß sind die Einschränkungen und Veränderungen im Haushalt. Am fühlbarsten ist da der Fleisch– und besonders der Fettmangel. Ebenso rar und teuer ist das Öl. Der Liter kostet 30 M, das Fleisch 2,20–2,40 p. ½ kg. Wegen der hohen Preise wird Fleisch in vielen Familien gar nicht oder nur an Sonntagen gegessen. Um an Fett zu sparen kocht, man viel Durchgemüse.
An Butter erhält jeder Selbstversorger 125 g p. Mann u. Woche, jeder Nichtselbstversorger die Hälfte. Vollmilch sollen nur kleine Kinder und Kranke und alte Leute auf ärztl. Attest bekommen. Die Zentrifugen sind geschlossen. Selbstbuttern ist untersagt.
Feines Mehl zum Backen wird nicht hergestellt. Alle sind auf Kriegsbrot angewiesen. Das sogen. „Einwecken“ von Früchten etc. hat ungemein zugenommen. Es fehlt jetzt aber an Zucker und Gummiringen.
Kaffee ist nicht mehr zu haben. Man gebraucht hier meistens gerösteten Roggen.
Als Brotaufstrich findet fast ausschließlich allerlei Marmelade Verwendung. Die Obst – Marmelade stellen sich die Leute selbst her. Für die Bereitung von Rübenkraut hat der Landwirt Heinrich Plattfaut hierselbst eine Krautpresse neu eingerichtet.
Sehr schlecht steht es mit der Beleuchtung für alle diejenigen, die kein elektrisch Licht haben. Sie bekommen p. Woche ungefähr 1 Ltr Petroleum. Auch Kerzen sind kaum mehr zu haben. Man behilft sich mit Karbidlampen.
Kohlen werden auch nur gegen Bezugsscheine abgegeben. Es fehlt an Transportmitteln für dieselben. Viele Landwirte fahren zu den Zechen bei Unna u. Hamm, um per Wagen Kohlen abzuholen.
Auch in den Wohnungen und an den Gebäuden sieht man den Krieg. Es wird fast gar nichts ausgebessert, da es an Öl und Tapeten fehlt. Private Bauten dürfen mit Genehmigung nur im äußersten Notfall ausgeführt werden.
Für die Käufer ist eine schlechte Zeit. Zigarren sollen in den Geschäften u. Wirtschaften nur bis zu 2 Stück p. Person abgegeben werden.
Der Tabak kostet 8 M u. mehr p. Pfd. (früher 1,30 M). Dabei ist nur selten etwas zu haben. Einige Raucher haben selbst Tabak angebaut.
Das Wirtshausleben hat fast ganz aufgehört. Der billigste Wein kostet hier p. Fl. 5 Mark. Branntwein ist nicht mehr vorhanden. Auch fehlt es meißtens an Bier. Es wird dafür Bierersatz ausgeschenkt. ( 0,3 l = 0,25 M)
Nachschr.
Es fehlt fast ganz an Gewürzen. 1 Pfd. Pfeffer kostet 30 M u. mehr. Zur besseren Fleischversorgung züchten die meißten Familien Kaninchen. (Preis 1,50 M p. ½ kg).
Käse (abgesehen von Quarkkäse) und Heringe sind hier schon seit 2 Jahren nicht mehr zu haben. – Haferflocken, Hafer– u. Gerstengrütze, Graupen, Griesmehl, Suppenwürfel, Marmelade, Kunsthonig u. Nudeln werden von Zeit zu Zeit in geringen Mengen den einzelnen Gemeinden vom Kommunalverband zugewiesen und dann an die Familien nach Kopfzahl abgegeben. Reis ist nicht mehr zu haben.
Autor: Ferdi Newe