Am 1.August 1914 ordneten sowohl die französische Regierung als auch der Deutsche Kaiser die Mobilmachung ihrer Armeen an. In den beiden Tagebüchern des Chronisten und damaligen Schulleiters der Katholischen Volksschule Westönnen, Franz Asshoff, finden sich zahlreiche Berichte zu dem Krieg, der über 17 Millionen Menschenleben forderte. Isnbesondere über die Mobilmachung ist viel enthalten. Die Bücher Asshoffs tragen den Titel „“Der Krieg v. 1914 – 18, die Schule und die Schulgemeinde“, und befanden sich viele Jahre im Besitz von Felix Kenter. „Übersetzt“ wurden sie nach Erhalt vom Online-Autor Ferdi Newe (Wir berichteten). Begonnen haben wir unsere Serie zum Ersten Weltkrieg mit dem Mobilmachungstag. Heute nun: Der Abschied unserer Krieger.
—– Der Abschied unserer Krieger (Franz Asshoff) ———-
Die meisten unserer Krieger mußten sich innerhalb der ersten 8 Tage stellen. Als 1. Mobilmachungstag galt der 2. August. An diesem Tage, einem Sonntage, versammelten sich alle um 4 Uhr in der Kirche, um vor ihrem Auszuge ins Feld noch einmal den Segen unseres hochw. Herrn Pfarrers Vedder zu empfangen.
Mit begeisternden, eindringlichen Worten wandte dieser sich an die Versammelten und ermahnte sie, allesamt zur Beichte und zum Tisch des Herrn zu gehen und dann voll und ganz ihre Kraft dem Vaterlande zu weihen. Er empfahl sie dem Schutze der Gottesmutter, des hl. Josef und der hl. Cäcilia, der Schutzpatronin unserer Gemeinde. Er bat, Skapulier (1) und geweihte Medaille mitzunehmen und dann mit Mut und Gottvertrauen in den gerechten Kampf zu gehen. Wenn sie als Krieger in Feindesland kämen, möchten sie auch dort Milde und Nächstenliebe walten lassen. Nach kurzem Gebet um Gottes Schutz für sich und das Vaterland empfingen alle kniend den priesterlichen Segen.
Um 5 Uhr versammelten sich alle zur Fahne Einberufenen noch einmal im Hagen’schen Saale zu einer kurzen Abschiedsfeier. Hauptlehrer Aßhoff, dessen frühere Schüler die meißten von ihnen waren, widmete ihnen einige kurze Abschiedsworte.
Man sah kein verzagtes Gesicht. Hell und kampfesmutig erschollen die Vaterlandslieder. Dann ein allgemeines Händedrücken, ein kurzes „Lebewohl“ und alle gingen nach Hause. Sie wollten die wenigen Stunden, die ihnen noch vergönnt waren, im Kreise ihrer Lieben zubringen.
Die eindringlichen Worte unseres Herrn Pfarrers hatten ihre Wirkung nicht verfehlt. Scharenweise sah man unsere Krieger die Beichtstühle umlagern und zur Kommunionbank treten. Keiner ist zurückgeblieben. Aber auch die nicht einberufenen Männer, die Frauen und Kinder beteiligten sich zugleich an den frommen Übungen. Wohl selten ist tagsüber die Kirche soviel besucht worden, wie in den ersten Tagen nach der Mobilmachung.
Tagtäglich sah man nun die Einberufenen zur bestimmten Stunde zur Staats- oder Kleinbahn gehen, um dem Rufe zur Fahne Folge zu leisten. Die meisten hatten zu Hause von den Ihrigen Abschied genommen und sie gebeten, von einer Begleitung zum Bahnhof Abstand zu nehmen. Gruppenweise gingen sie, von guten Wünschen begleitet, ihr Paket an der Hand tragend, vaterländische Lieder singend, mit Blumen geschmückt, im Gleichschritt zur Bahn. Dort hat man keine Thräne mehr gesehen. Mit Gesang Hoch- und Hurrarufen stiegen sie ein.
In den Tagen der Mobilmachung war jeglicher Personen- und Güterverkehr auf der Reichsbahn eingestellt. In einem fort rollten die Truppentransporte vorbei. Wagen und Geschütze waren bekränzt. „Nach Paris! Nach Petersburg! Hoch Deutschland unser Vaterland!“ und manchen begeisterten, humorvollen und auch derben Zuruf hat man mit Kreide an die Wagen angeschrieben.
Klein und groß eilten in freien Stunden zur Bahn um die vorbeifahrenden Krieger zu sehen und zu begrüßen. Da sah man nun fröhlich mutige Gesichter, freundliches Winken, hörte Gesang und Hurrarufe. Mancher Feldgraue warf auch wohl einen Brief oder eine Karte mit Abschiedsgrüßen an die Seinigen aus dem Zuge und alle wetteiferten, diese aufzulesen und weiter zu befördern.
Leider konnten die durchfahrenden Krieger hier mit Liebesgaben nicht bedacht werden, da die Züge nicht hielten, doch ist manche Wurst und mancher Schinken zu diesem Zwecke nach Werl mitgegeben worden, wo viele Züge hielten und die abziehenden Krieger gespeist und beschenkt werden konnten.
(1) Die Skapuliermedaille wurde von Papst Pius X. zugelassen und zeigt auf der einen Seite das Herz Jesu und auf der anderen Seite die Muttergottes, häufig mit dem Skapulier in der Hand.
Autor: Ferdi Newe / Manfred Zeppenfeld