Dem Pfarrbrief entnommen haben wir die Predigt von Weihbischof Matthias König, Paderborn, am 12. Januar 2014 anlässlich der Feierlichkeiten zur Errichtung der Gesamtpfarrei Propstei Werl. Dieser wurde im Pfarrbrief auf vielfachen Wunsch hin veröffentlicht. Hier nun der zweite Teil.
Vor allem jungen Menschen fehlen. Die Aktiven in den Pfarreien und Gemeinden vor Ort kennen diese Tendenz – und leiden darunter. Sie versuchen, mit aller Kraft alles möglichst lange aufrecht zu erhalten. Viele sind davon erschöpft und enttäuscht, weil sie den Trend nicht stoppen können. Aber die Entwicklung ist im Moment nirgends aufzuhalten. Keiner hat ein Rezept, dagegen wirksam anzugehen. Darum gibt es das Wagnis des Neuen, liebe Schwestern und Brüder. Wir müssen die Kräfte bündeln, wie es mit dem heutigen Schritt auf der Ebene der Organisation geschieht.
Wir müssen das, was lebendig ist in den Gemeinden, enger zusammenbringen, um auch in den sich weiter verändernden Gegebenheiten christlich-katholisches Leben zu stärken. Wir müssen uns von Dingen bewusst verabschieden, die nicht aufrecht zu erhalten sind – mit all den Schmerzen, die das bereitet, mit all der Trauer, die damit verbunden ist, auch um den Preis mancher aggressiv vorgetragenen Vorwürfe oder depressiver Resignation bei denen, die bislang so aktiv waren. Doch wo liegt der Gewinn bei dem Neuen, das heute beginnt? Diese Frage wird viele von Ihnen beschäftigen. Eine wichtige Sache ist: Wir lernen, dass wir nüchtern wahrnehmen müssen, was wir als Christen in dieser Zeit um uns herum erfahren. Das hat mit Abbruch von Traditionen zu tun, mit Glaubensverdunstung, mit einem Christsein, das eine klare Entscheidung für den Herrn und seine Kirche fordert.
Wir können und brauchen uns nichts mehr vormachen. Weder der Pastor als „Hauptdarsteller“, noch alle Ehrenamtlichen müssen „heile Welt“ spielen. Vielmehr sind wir herausgefordert, die Situation so anzunehmen, wie sie wirklich ist. Wenn der Satz stimmt: „Gott umarmt uns durch die Wirklichkeit“, dann ist seine Nähe und Gegenwart in unserer Zeit nicht weniger gegeben, als in der vermeintlich „guten alten“. Ein weiterer Gewinn ist, dass wir erfahren können, wie gut es ist, über den eigenen „Tellerrand“ hinaus zu schauen. „Kräfte bündeln“, nennt man das. Wenn ich bei Visitationen nach positiven Effekten der neuen Strukturen frage, höre ich oft: „Wir können jetzt auf einmal Dinge tun, die vorher nicht möglich waren.“ Wenn die Vereine und Gruppen verschiedener Orte zusammen kommen, die Jugend und die Messdiener sich als große Gemeinschaft in der neuen Pfarrei entdecken und die Ehrenamtlichen das Ganze in den Blick nehmen, werden Sie das auch erfahren, liebe Schwestern und Brüder.
Dazu kommt, dass wir wieder lernen müssen, was wirklich unsere Mitte ist. Es ist eindeutig die Eucharistie, es sind die anderen Gottesdienste, es ist die Verkündigung und die Nächstenliebe, die Caritas. Hier gemeinsam Neues wagen und von der Eucharistie in Feier und Anbetung aus das alltägliche Leben zu durchdringen – das kann der Gewinn des Neuen werden. Als Marienwallfahrtsort mit dem Franziskanerkloster haben Sie einen wichtigen Schatz in ihrer Mitte: Menschen kommen nach Werl, um bei der Gottesmutter Trost zu suchen und Mut zu schöpfen. Sie empfangen das Bußsakrament, erleben bei Wallfahrten große Glaubensfreude und Gemeinschaft. Ihre Stadt steht für eine dreieinhalb Jahrhunderte währende tiefe Glaubenstradition, die wie eine Glutzelle von innen her Ihre neue Gemeinde mit lebendigem Feuer beschenkt.
Dass das Werler Gnadenbild heute bei unserer Feier dabei ist, möchte das Mut machend zum Ausdruck bringen. Schließlich wird die Gesamtgemeinde dazu führen, dass Christen vom Gegeneinander zum Miteinander finden. Sie werden rasch lernen, dass es nur gemeinsam geht: Gemeinsam mit allen Teilen der neuen großen Propsteipfarrei. Gemeinsam nur mit Ihren Priestern, Ordensleuten und den Gemeindereferentinnen zusammen. Stärken Sie Ihre Hauptamtlichen. Die haben große Lasten zu tragen – und tun es doch letztlich im Auftrag Gottes für Sie! „Beinchen stellen“, Nörgeln und Vergleichen, wie es früher war oder ständig bemühte Ideologie – all das ist da wenig hilfreich!
3. Den Taufglauben leben
Das Fest der Taufe des Herrn, mit dem wir heute die weihnachtliche Festzeit beenden, macht da Mut. Zwar ist uns allen klar, dass die Taufe Jesu durch Johannes im Jordan etwas anderes war als unsere christliche Taufe. Aber wir werden heute doch an die Berufung erinnert, die uns das Sakrament der Gotteskindschaft geschenkt hat. Seit unserer Taufe sind wir nämlich gefordert, unseren Glauben so zu leben, dass er andere erreicht, dass er ausstrahlt. Zeugnis geben ist für Christen nicht Sache einiger weniger, sondern aller Getauften. Es wird für die Gestaltung der Kirche in Zukunft entscheidend sein, dass dies wieder von vielen entdeckt wird. Wer das tut, der wird den Mut zu neuen Wegen haben. Der wird die eigenen Schätze entdecken und pflegen, weil sie die Mitte bilden, aus der heraus unser Glaube seine Kraft bezieht. Der wird Gott mehr zutrauen als den menschlichen Möglichkeiten, die natürlich gefragt bleiben. Und er kann als Getaufter Werkzeug Gottes sein, durch das die Welt mitgestaltet und verändert wird.
Ich wünsche Ihnen sehr, liebe Schwestern und Brüder, dass das hier in Werl mit der neuen Propsteigemeinde gelingt. Und dass Sie dann eines Tages doch sagen können: „Es ist zusammen gewachsen, was zusammen gehört.“ AMEN.
Autor: Aus dem Pfarrbrief