Am vergangen Dienstag hatte die Onliner beim Redaktionsstammtisch einen besonderen Gast. Wolfgang Reuß hielt einen Vortrag über seine Erfahrungen als Vertriebener aus Schlesien. Fast eine Stunde berichtete er über das Erlebte nach dem Ende des zweiten Weltkriegs. Wolfgang Reuß hatte diesen Vortrag vor einigen Wochen schon auf der Jahreshauptversammlung des „Verband Wohneigentum“ gehalten und war der Bitte der Onliner nachgekommen, diesen Vortrag auch beim Redaktionsstammtisch zu halten.
Zunächst einmal gab es einige wichtige Fakten zu seiner alten „Heimat“ Schlesien. Insbesondere die Verhältnisse und politischen Verstrickungen die letztlich zur Vertreibung geführt hatten wurden näher beleuchtet. Am Ende waren es 4,5 Millionen Schlesier, die zum Ende des Weltkrieges aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Die anderen Ostgebieten dazu genommen waren bis zu 14 Millionen Menschen auf der Flucht.
Ziel für die Vertriebenen war 1945/46 das befreite Deutschland und dabei im speziellen die Besatzungszonen aus denen später die Bundesrepublik entstand. Eine mehr als ungewisse Zukunft, denn Deutschland lag nach dem Krieg am Boden und musste zudem noch diese schwere „Last“ tragen.
Wolfgang Reuß berichtete über die Vorkommnisse während Vertreibung und der Ankunft in Westönnen. Nachdem die Familie aufgrund des zerstörten Schienennetzes insgesamt 3 Wochen in Güterwagons verbracht hatte, stieg man in Soest aus und gelangte schließlich nach Westönnen. Dort lag es an Ortsvorsteher Sasse die vielen Vertriebenen auf die Unterkünfte zu verteilen. Sicherlich keine dankbare Aufgabe, denn die Unterkünfte waren in den Privathaushalten der Westönner. Es wurden also Räume zur Verfügung gestellt, in denen die Familien dann in den nächsten Monaten leben konnten.
Glück hatte die Familie Reuß mit ihrer Unterkunft, denn sie wurden herzlich aufgenommen, was sicher nicht alle angekommenen Vertriebenen behaupten konnten. Sie waren zunächst alles andere als Willkommen. Neben der Tatsache, dass man sein zu Hause, seine Heimat, verlassen musste, waren die Ungewissheit auf die Zukunft, die wirtschaftliche Not und auch die damals vorherrschende eher schlechte „Willkommenskultur“ sicher die größten Probleme. Entscheidend waren in damaliger Zeit aus heutiger Sicht eher unscheinbare Dinge. Eine aus Schlesien mitgenommen Nähmaschine war in den ersten Monaten nach der Ankunft in Westönnen wichtigstes Utensil, um die Familie mit dem Notwendigsten zu versorgen. Später fand Vater Reuß, der mittlerweile aus der Kriegsgefangenschaft zurück gekommen war, eine Arbeit bei der Firma Hering.
Heute sind die Vertriebenen aus der Nachkriegszeit fester Bestandteil der Gesellschaft. Man weiß kaum noch, welche Familien eine solche Vergangenheit haben. Sie sind integriert, so auch in Westönnen.
Am Ende dankten die Onliner Wolfgang Reuß für seinen bewegenden Beitrag und mussten feststellen, dass es viele Parallelen zur heutigen Situation gibt.
Autor: Manfred Zeppenfeld