Wenn ab dem nächsten Donnerstag die „Weiber“ die bunten Karnevalstage eröffnen, wird es in der Folge bis zum Rosenmontag wieder feuchtfröhlich werden. Das gemeinsame Feiern und der Alkohol gehören seit jeher zusammen, ob beim Schützenfest oder beim Karneval. Vor über 100 Jahren gab es in Westönnen jedoch Bestrebungen diesem Treiben ein Ende zu setzen. Angetrieben vom damaligen Westönner Vikar Funke gründete sich in Westönnen im Jahr 1910 eine Ortsgruppe des katholischen Kreuzbündnisses.
Im Central Volksblatt findet sich dazu am 10. Februar 1911 ein Bericht:
Westönnen, 10. Febr. Am letzten Sonntage ist 1 Jahr verflossen seit dem Tage, an dem Herr Vikar Funke mit 7 Männern im jetzigen Vereinslokale das kath. Kreuzbündnis (Ortsgruppe Westönnen) einführte. Mutig hat die kleine Schar gearbeitet, wenn ihr auch oft ein Spottgeschrei aus blödem Trinkermunde entgegentönte. Der Verein zähllt zur Zeit 51 abstinente Männer und Jünglinge, sowie 135 abstinente Frauen und Jungfrauen; außerdem zählt der angegliederte Schutzengelbund 205 Kinder. Ein jeder muß sich sagen, daß Gottes Segen auf dem jungen Verein ruht; manch früherer Trinker hat die Schnapsflasche zerschlagen und ein anderes solides Leben angefangen zu seinem eigenen Heil und zum Segen seiner Familie. Möge der junge Verein weiter blühen und gedeihen zum Besten der Allgemeinheit!
Zwei Jahre später berichtet das Central Volksblatt erneut:
Westönnen, 2. Mai. Zum Stiftungsfest unserer Ortsgruppe des Kreuzbündnisses am vergangenen Sonntag waren Vertreter der Ortsgruppen, Werl, Büderich, Wickede und des Abstinenten-Zirkels am Lehrerseminar in Werl erschienen. Die Festversammlung, die nach vorausgegangener Andacht in der Kirche im großen hagenschen Saale stattfand, war von Gästen und Abstinenten zahlreicher besucht, als je zuvor. Mit gewohnter Meisterschaft sprach der hochw. Pater Romanus aus Werl in seiner Festrede über „die Mitarbeit der deutschen Katholiken an einem nationalen Werke“. – 14 Männer, die 3 Jahre dem Kreuzbündnis angehören, erhielten aus der Hand des Vorsitzenden prächtige Diplome. Es sind die Herren: B. Schütte, Christian Cremer, Th Heeth, Kaspar Hollmann, Heinrich Hudelmann, A. Klever, Heinrich Nottebaum, Ad. Nottebaum, Fritz Nottebaum, Jos. Poggel, Th. Post, Joh. Stasius, Franz Schriek, Franz Topp. Mehrere Männer und Jünglinge wurden neu aufgenommen. Der Ortsgruppe gehören an 67 Männer und Jünglinge, 204 Frauen und Jungfrauen und zirka 300 Kinder. Zur Abstinenz auf Lebenszeit haben sich verpflichtet 16 Männer und Jünglinge und mehr als 50 Frauen und Jungfrauen. Das Fest ist in schöner Weise verlaufen und hat alle Teilnehmer mit Liebe zur Abstinenz und mit größerer Begeisterung für die edlen Ziele des Kreuzbündnisses erfüllt.
Erklärung Kreuzbündnis: Das Kreuzbündnis (heute Kreuzbund) wurde 1896 vom katholischen Pfarrer Josef Neumann gegründet und sollte dem zu dieser Zeit verbreiteten Elendsalkoholismus entgegenwirken. Später, mit Anerkennung der Alkoholkrankheit durch die WHO, wandelte sich der Verband von einem Abstinenzverein zu einem Selbsthilfeverband für Suchtkranke und Angehörige. Der Kreuzbund ist heute ein Fachverband des Deutschen Caritasverbandes.
Anmerkung: Wir wollen dem geneigten Narren natürlich nicht das Schlückchen am Karnevalswochenende vermiesen. Prost.
Autor: Manfred Zeppenfeld / Alfred Risse