Am 1.August 1914 ordneten sowohl die französische Regierung als auch der Deutsche Kaiser die Mobilmachung ihrer Armeen an. In den beiden Tagebüchern des Chronisten und damaligen Schulleiters der Katholischen Volksschule Westönnen, Franz Asshoff, finden sich zahlreiche Berichte zu dem Krieg, der über 17 Millionen Menschenleben forderte. Insbesondere über die Mobilmachung ist viel enthalten. Die Bücher Asshoffs tragen den Titel „“Der Krieg v. 1914 – 18, die Schule und die Schulgemeinde“, und befanden sich viele Jahre im Besitz von Felix Kenter. „Übersetzt“ wurden sie nach Erhalt vom Online-Autor Ferdi Newe (Wir berichteten). Heute präsentieren wir einen Abschnitt, in dem es um die vermutlich ersten Kriegsgefangenen geht, die in Westönnen im Jahr 1915 ankamen.
—– Kriegsgefangene französische Erntarbeiter in Westönnen. (Franz Asshoff) ——-
Am Dienstag, d. 20/7. 1915, abends gegen 9, kamen aus dem Central Gefangenenlager zu Münster 65 kriegsgefangene Franzosen u. Belgier hier an, welche in Westönnen und Umgegend als landwirtschaftliche Arbeiter beschäftigt werden sollten. Am 4./9. kamen noch 15 dazu, so daß im ganzen 80 Kriegsgefangene hier untergebracht sind.
Die Gefangenen sind in dem leerstehenden Wurstfabrik-Gebäude der Gebr. Bölcke hierselbst untergebracht. Das Gebäude ist zu diesem Zwecke mit einem Drahtzaun und an der Straßenseite mit einem Bretterzaun umzogen.
Das untere Stockwerk dient als Koch- u. Wohnraum, das obere als Schlafraum. Zum Schlafen hat jeder eine Hängematte, Bettuch und 2 Decken. Die Hängematten haben sich als unpraktisch erwiesen und sind durch Strohsäcke ersetzt worden. Die Beschaffung genannter Sachen besorgten die Interessenten auf ihre Rechnung.
Die Bewachung der Gefangenen beim An- und Abmarsch zur Arbeit und während der Arbeit haben 9 Landsturmleute, 1 Gefreiter und 8 Mann. Zur Nachtzeit wird das Lager von dem Flurschützen Huckelmann bewacht, der dafür eine Entschädigung von 2 M erhält. Die Kriegsgefangenen stehen im Sommer um 5, im Winter um 6 Uhr auf und gehen eine Stunde später zur Arbeit. Im Sommer müssen sie abends um 8, im Winter um 7 Uhr wieder im Lager sein. Jeder Landwirt, der Gefangene beschäftigt, wird vereidigt und verpflichtet, etwaige Fluchtversuche selbst mit der Waffe zu verhindern.
In Westönnen wurden z. Z. 39, in Oberbergstraße 11, in Mawicke 10, in Gerlingen (Menze) 10 und in Ostönnen (Berghoff) 10 Kriegsgefangene beschäftigt. Jeder Kriegsgefangene erhält pro Tag 0,30 M Tageslohn, die in gewerblichen Betrieben (Sauerkrautfabrik) beschäftigten 0,62 M. Den Morgenkaffee kochen sich die Gefangenen im Lager selbst. Kaffee und Milch wird geliefert. Auch Brot für den ganzen Tag wird geliefert. Mittag– und Abendessen geben die Arbeitgeber, erhalten aber von der Gemeindeverwaltung 0,60 M pr. Mann und Tag dafür zurückvergütet.
Blos Wäsche müssen sich die Gefangenen selbst besorgen. Eine mit elektrischer Kraft arbeitende Waschmaschine ist ihnen dafür zur Verfügung gestellt. An allen Sonn– und Feiertagen bleiben die Gefangenen im Lager. Sie kochen dann selbst. Fleisch, Kartoffeln u. Gemüse etc. liefern die Interessenten.
An allen Sonn– und Feiertagen werden die Gefangenen, die der hl. Messe beiwohnen wollen (alle bis auf 3 sind katholisch), zur Kirche geführt. Ein französischer Geistlicher aus dem Offiziers– Gefangenenlager zu Werl liest die hl. Messe. Die Kirche ist für diese Zeit für andere nicht geöffnet. Die Türen werden geschlossen.
Die Wachmannschaften erhalten an den Arbeitstagen ihre Kost bei den Arbeitgebern, deren Gefangene sie beaufsichtigen. Des Sonntags werden sie von Frau Bölcke beköstigt. Diese erhält dafür pr. Mann u. Tag 1,40 M. Frau Bölcke hat am Lagerraum eine Kantine eröffnet, in der alkoholfreie Getränke, Schokolade, Zigaretten, Tabak etc. an die Franzosen abgegeben wird.
Von Zeit zu Zeit findet durch einen Offizier eine Revision des Lagers und der Wachmannschaften statt. Auch wird darauf gesehen, dass jeder Landwirt, der selbst die Aufsicht über die arbeitenden Gefangenen führt, eine geladene Schusswaffe bei sich führt.
Sämtliche Unkosten für Lagereinrichtung, elektrisch Licht, Heizung, Mehrausgaben für die Beköstigung der Wachmannschaften tragen die Interessenten nach Maßgabe der von ihnen beschäftigten Gefangenenzahl. Am 15. Nov. 1915 wurden 13 Gefangene, die nicht mehr beschäftigt wurden, und 1 Mann der Wachmannschaft wieder nach Münster abgeschoben.
Am 1. April 1916 kamen 20 englische Kriegsgefangene als Erntearbeiter an. 5 Engländer weigerten sich zu arbeiten. Sie wurden auf Anordnung des Generalkommandos mit 3 Tagen Arrest bestraft. Am 2. Tage erklärten sie, die Arbeit aufnehmen zu wollen.
Mit den Engländern waren die hiesigen Arbeitgeber fast alle unzufrieden. Auch entstanden häufig Streitigkeiten zwischen Franzosen und Engländern, die im Lager zusammen untergebracht waren. Am 3. Mai 16 wurden die Engländer deshalb zurückgeschickt und durch französische Kriegsgefangene ersetzt.
Autor: Ferdi Newe