Text + Fotos von Eberhard Holin
Das westfälische „Sauerkrautdorf“ Westönnen erlebte auch in diesem Jahr wieder seine von Mitte September bis Mitte November dauernde „Sauerkraut-Kampagne“. Bei überwiegend sonnigem Herbstwetter wurden mit „schwerem Gerät“ die schön gewachsenen Weißkohlköpfe nördlich und südlich der alten B1 auf den großen Westönner Weißkohlfeldern geerntet. An einigen Tagen querten nahezu stündlich hochbeladene Anhänger die „alte westfälische Heerstraße“ auf dem Weg zu den bekannten drei Westönner Sauerkrautproduktionsstätten:
· Sauerkrautfabrik Guido Ebell-Schulte
· Holthoff Sauerkraut GmbH
· Sauerkraut GmbH Hufelschulte

Im Bereich Westönnen werden jährlich rd. 160 Morgen (40 Hektar) Anbaufläche „Industriekohl“ (ausschließlich für die Sauerkrautherstellung benutzt) abgeerntet. (Hufelschulte 20 ha, Holthoff 10 ha und Ebell-Schulte 10 ha). Verglichen mit den Anbauflächen der anderen deutschen „Weißkohlgebiete“ in Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg und Hessen ist das nur eine verschwindend kleine Fläche. Wegen der günstigen Lage zum Ruhrgebiet haben die Westönner Sauerkrautbetriebe jedoch einen großen Standortvorteil, da ihre Kunden und Verbraucher gleichsam vor ihrer Tür angesiedelt sind.

Für 1966 werden für den Bereich Westönnen 138,2 ha Weißkohl angegeben (Kreis Soest 169 ha). Diese Größenangabe umfasst sowohl die Flächen für den „Industriekohl“ als auch die Flächen für den Anbau für „Marktware“ (Straßenverkauf, Wochenmärkte etc.). Das Produktionsergebnis dieser 138,2 ha betrug 1966 6504 t Weißkohl bei einem Durchschnittsertrag von 470,6 dz pro ha (47,06 t). Inzwischen haben sich in der Landwirtschaft durch die vorangetriebene Mechanisierung sowohl die Saat- und Erntemethoden als auch besonders die Hektarerträge durch den Einsatz neuer und verbesserter Weißkohlsorten gesteigert. Dazu kommen weitere Faktoren, wie die schleichende Klimaerwärmung und verbesserte Düngungs- und Schädlingsbekämpfungsmethoden.
Heute werden für die industriemäßige Herstellung von Sauerkraut (Industriekohl) in der Regel die Weißkohl-Setzlinge auf dem Feld in der Reihe in einem Abstand von 60 cm gepflanzt. Von einer Reihe zur anderen beträgt der Abstand 65 cm. Pro Morgen werden 6410 Pflanzen gesetzt. Pro Hektar ergibt das eine Ernte von 25640 Köpfen. Bei einem durchschnittlichen Gewicht von 5 kg pro Kopf resultiert daraus ein Gesamtgewicht von 128.200 kg/128,20 t pro Hektar (Die Köpfe der frühen Weißkohlsorten sind leichter, die späten schwerer.).
Im Bereich Westönnen werden pro Saison z.Zt. auf 40 ha Anbaufläche ca. 5.128 t Weißkohl für die industriemäßige Herstellung von Sauerkraut geerntet. Dazu kommen weitere Erträge von den erheblich kleineren Anbauflächen für „Marktware“.
In den 60-er Jahren existierten in Westönnen größere und kleinere Ackerbaubetriebe, die ihre geernteten Kohlköpfe nur zum Teil selbst zu Sauerkraut weiterverarbeiteten. Insbesondere kaufte die 1980 geschlossene Sauerkrautfabrik C. Kerkhoff von ortsansässigen Landwirten deren Weißkohlproduktion, um sie dann in ihrem eigenen Betrieb zu Sauerkraut zu verarbeiteten. Es wird berichtet, dass in den 50-er Jahren von der Fa. C. Kerkhoff angekaufte Kohlköpfe mit Pferdewagen zum Westönner Bahnhof transportiert wurden, um dann mit der Eisenbahn entweder ins Sauer- oder Münsterland gebracht und dort an Selbstabholer verkauft zu werden. Diese stellten dann ihr Sauerkraut im „Do-it-yourself-Verfahren“ her. Weitere Abnehmer von Kohlköpfen aus Westönnen waren größere Produktionsbetriebe im Rheinland, die „industriemäßig“ Sauerkraut herstellten. Zu den Hauptabnehmern des Westönner Sauerkrauts zählten/zählen die Wiederverkäufer auf den Großmärkten an der Ruhr in Dortmund, Essen, Gelsenkirchen und die bekannten früheren Einkaufsketten Rewe, Spar und Konsum, heute Edeka, Rewe-Pennymarkt, Kaufland etc.
Durch die Strukturveränderung in der Landwirtschaft – Aufgabe zahlreicher bäuerlicher Betriebe – und weitere Faktoren verringerten sich auch die Westönner Weißkohlanbauflächen. Für NRW wird die Weißkohlanbaufläche für das Jahr 2005 mit 866,28 ha (2004 1063,48 ha) angegeben*. Die Westönner Weißkohlanbaufläche für die Sauerkrautproduktion liegt derzeit mit rd. 40 ha bei ca. 5 % der NRW-Anbaufläche. Heute verarbeiten die drei bestehenden Westönner Sauerkrautbetriebe ausschließlich selbst gezogene Kohlköpfe.
* Die Angaben des Landesamtes für Datenverarbeitung und Statistik NRW umfassen die Weißkohl-Gesamtanbauflächen. Es wird nicht zwischen den Anbauflächen für Industriekohl und für Martkware unterschieden.
Um die Kohlpflanzen vor schädlichen Wurzelnematoden oder der Kohlhernie (Plasmodiophora brassicae), eine gefährliche Kohlkrankheit, zu schützen, wird von allen Betrieben ein drei- bis vierjähriger Fruchtwechsel eingehalten (Fruchtfolge: Weißkohl-Getreide-Zuckerrüben-Weißkohl oder Weißkohl-Mais-Salat-Porree-Weißkohl). Wegen dieser Notwendigkeit werden von der Fa. Hufelschulte Anbauflächen mit ortsansässigen Landwirten getauscht.
Die Sauerkrautproduktion
Bei allen drei Westönner Betrieben werden eigene Vollerntemaschinen eingesetzt. Sie ersetzen menschliche Arbeitskraft (Ein Fahrer bewegt die Erntemaschine, ein Fahrer die Zugmaschine u. den Anhänger). In einer knappen halben Stunde schneidet eine Maschine rd. 900-1000 Kohlköpfe. Die Maschine hebt und setzt die Köpfe auf ein Überladeband und befördert sie in den parallel fahrenden Anhänger. Ein Kohlkopf wiegt zwischen 5-8 kg. Ein Anhänger kann bis zu 4,5 t Kohl transportieren.


Bei allen Betrieben werden die beladenen Hänger hydraulisch seitlich gekippt. Ein Seitenteil wird geöffnet, die Köpfe rutschen auf ein Transportband, um dann mit Hilfe des Höhenförderers zur Weiterverarbeitung in den Betrieb zu gelangen.




Die Kohlköpfe landen in einem großen Sammelbehälter. Von Hand werden sie ergriffen und auf die Strunkbohrmaschine gesetzt, die Strünke werden ausgebohrt.


Die durchbohrten Köpfe passieren eine Säuberungsmaschine, in der durch rotierende Bänder (Hufelschulte) oder durch das Passieren rotierender in Längsrichtung angebrachter parallel verlaufender Stangen Verunreinigungen und lose Kohl-Deckblätter abgeschlagen werden. Anschließend wird jeder Kopf einzeln inspiziert. Weitere lose Deckblätter werden mit einem Handmesser entfernt, bevor die Köpfe die Schneidemaschine erreichen.





Das Gärsilo
Über ein Transportband laufen die Kohlschnitzel zum Gärsilo. Die Gärsilos sind von unterschiedlicher Größe. Sie sind rd. fünf Meter tief. Einige haben ein Fassungsvermögen bis zu knapp 50 Kubikmetern und fassen bis zu 50 Tonnen. Ihre Wände sind mit einer speziellen schwarzen Bitumenschicht abgedichtet (Ebell-Schulte u. Holthoff).
Bei der Firma Hufelschulte wird zur Abdichtung ein heller Kunststoff aufgebracht, zusätzlich werden die gereinigten Wände mit Kunststoffbahnen abgehängt. Nach jeder Leerung des Silos werden die benutzten Kunststoffbahnen entfernt und vor jeder Neubelegung durch neue ersetzt, um eine möglichst 100%-ige Säuberung des Silos zu gewährleisten.
Zum Schutz des Mauerwerkes vor der aggressiven Milchsäure waren früher Fliesen auf den Wänden aufgebracht. Nur durch die Einhaltung hoher Sauberkeitsstandards kann ein optimaler Verlauf der verschiedenen Gärungsprozesse gewährleistet werden. Das Silo muss vor jeder störender Mikroflora (Pilze/Bakterien) geschützt werden.



Die langen Kohlfasern fallen oder rutschen in das Gärsilo.


Das Silo ist fast gefüllt, die vorgehängten Kunststoffbahnen sind gut zu erkennen. Die noch lose liegenden Kohlfasern werden verteilt und gestampft, um möglichst viel Luft aus der Fasermasse herauszupressen.
Durch Abdeckplanen und aufgesetzte gefüllte schwere Wasserbehälter (Fa. Ebell-Schulte u. Hufelschulte) werden die eingelagerten Kohlschnitzel luftdicht abgeschlossen, damit die Gärung ungestört von eindringenden Bakterien erfolgen kann. Die Fa. Holthoff benutzt als obere Abschlussdecke eine einkammerige durchgehende „Gummi-Matratze“, die mit Wasser gefüllt wird und dann in der Höhe einen Durchmesser von etwa 35 cm hat. Die abgedeckte Fläche pro Silo ist rd. 10,5 m² groß.



In Abhängigkeit von der Kohlsorte und der Außentemperatur verbleiben die Schnitzel 1-4 Monate im Silo. Im Verlauf dieser Zeit durchlaufen sie die einzelnen Gärprozesse, um dann als „gut haltbares und kalorienarmes Lebensmittel“ in 10 Kilo-Eimern oder in kleineren Portionen (500 gr) zu den Abnehmern zu gelangen.
