Vor einigen Wochen hatte uns Wolfgang Reuß in einem Vortrag beim Redaktionsstammtisch über seine Erfahrungen und Erlebnisse als Ost-Vertriebener berichtet. Insgesamt 14 Millionen Menschen waren in den Jahren nach dem Ende des 2. Weltkrieges aus ihrer Heimat, den damaligen deutschen Ostgebieten wie Schlesien und Ostpreußen, vertrieben worden. Viele von ihnen sind damals in die Besatzungszonen geflüchtet aus denen später die Bundesrepublik Deutschland entstand. Die Familie Reuß kam nach einer dreiwöchigen Odyssee in Westönnen an.
Wie Wolfgang Reuß uns berichtete war der damalige Ortsvorsteher Sasse in Westönnen verantwortlich für die Verteilung der Vertriebenen. Viele kamen bei Westönner Familien unter. So auch die Familie Reuß. Einige der Flüchtlinge wurden zudem in der Westönner Schule untergebracht. Ein Reporter der Westfalenpost besuchte im Dezember 1947 die damals in der Schule untergebrachten Vertriebenen. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits 360 Personen in Westönnen aufgenommen worden, in Stadt und Amt Werl sogar 3000.
In der Schule wurden den Vertriebenen 2 Klassenräume zur Verfügung gestellt, die mit Stroh und Decken ausgelegt waren. Ein Klassenraum war mit 16 Personen belegt, der andere mit 25. Auf Nachfrage der Zeitung äußerten die neuen Bewohner auch ihre Enttäuschung darüber, wie sie aufgenommen worden waren. Sie sollen doch wieder zu den Polen gehen, sei ihnen nachgerufen worden. Aber die haben uns doch gerade erst verjagt, wurde dem Reporter berichtet.
Weiterhin steht in dem Bericht:
„…Einrichtungsgegenstände sind, wie gesagt, Stroh und Schulbänke. Geschirr? „Einige Blechtöpfe haben wir uns aus den Schutthaufen aufgelesen.“ Eben bei unserem Besuch bringt das Flüchtlingsamt Werl für jeden einen Teller und Besteck. Große Freude. Das Essen sei gut, erkennen sie dankbar an. Es wurde bisher von Bauern bereitet und soll jetzt im Kath. Schwesternheim gekocht werden. Böse sieht es mit Wasser- und Waschgelegenheit aus. Auf dem Schulflur ist ein Kran, aber der ist nicht in Ordnung (was aber in diesen Tagen nachgeholt werden soll), so muß das Wasser von einem Nachbarn geholt werden. In einem Klassenzimmer sind 16, im gegenüberliegenden 25 Personen untergebracht; gut ein Drittel davon sind Kinder, zum Teil Kleinkinder. Einige liegen vor sich hin weinend auf dem Stroh, andere tummeln sich auf dem Flur. Ob es nicht schwierig ist, die Kleinen während des Unterrichts zu beschäftigen? Auf dem gleichen Flur befindet sich auch eine Schulklasse. Krank seien die Kleinen nicht, wird uns geantwortet. Aber sie sehen alle arg blaß aus. Ob sie noch lange in der Notunterkunft bleiben müssen? Wohnungs- und Flüchtlingsamt sind um Räume bemüht. Hoffentlich finden sie offene Herzen……“
Für die Vertriebenen aber auch für die Westönner muss dies damals eine große Last gewesen sein. Kaum vorstellbar in der heutigen Zeit.
Autor: Manfred Zeppenfeld / Alfred Risse