Auf Anregung des Autors und mit Zustimmung des Verlegers Alexander Stein wird nachstehender Beitrag aus der Schrift, WERL – GESTERN – HEUTE – MORGEN 1997 (S. 83 – 88), veröffentlicht. WESTÖNNEN – ONLINE bedankt sich für die Überlassung des Textes, da doch der Grünsandstein in Westönnen das Dorfbild stark beeinflusst.
Der aufmerksame Spaziergänger wird schnell feststellen, daß im Stadtzentrum und in den Kernen der Dörfer Grünsandsteine als Baustoff für Gebäude und Mauern immer wieder anzutreffen sind. Vor allem in Büderich und Westönnen prägen Einfriedungs- und Stützmauern aus Grünsandstein ganze Bereiche und Straßenzüge (Bild 1). Daß dies so ist, ist das Verdienst der Eigentümer. Und das dies so bleibt, ist für Denkmalpflege und Naturschutz von besonderer Bedeutung.
Aspekt Denkmalpflege
Über viele Jahrzehnte lieferten Steinbrüche entlang des Hellwegs, am Nordhang des Haarstrangs, den heimischen Baustoff Grünsandstein. Während die Steinbrüche bis auf drei im Stadtgebiet zugeschüttet worden sind, zeugen noch zahlreiche Wohnhäuser, Stallgebäude und Scheunen von dieser Zeit. Auch die Pfarrkirche St. Cäcilia in Westönnen (1819-1823) und St. Kunibert in Büderich (1864-1866) wurden aus dem heimischen Grünsandstein errichtet. Aus Bruchsteinen wurde ferner die Westönner Schützenhalle (1925 – 1927) gebaut. Die Baujahre dieser drei Gebäude weisen gleichzeitig auf die Blütezeit der Grünsandsteingewinnung hin. Aus dieser Zeit stammen auch die Bruchsteinmauern in den Dörfern, seien sie als Stützmauern oder zur Grundstückseinfriedung erstellt worden. So weist eine Urkunde vom 11. August 1859, die im September 1997 bei der Sanierung einer Grünsandsteinmauer am Büdericher Hellweg gefunden wurde, das Baujahr der Mauer aus.
Gebäude und Mauern haben, da die heimischen Steinbrüche schon lange nicht mehr genutzt werden, eine historische Bedeutung erlangt. Unter Denkmalschutz stehen aber nur einige Gebäude wie die Büdericher Kirche oder das ehemalige Lehrerhaus an der Breiten Straße in Westönnen, das jetzt als Kindergarten genutzt wird. Die Mauern dagegen genießen keinen amtlichen Schutz. Eine im September 1982 von Kunibert Mawick, dem Büdericher Denkmalschutzbeauftragten, vorgeschlagene Aufnahme von Grünsandsteinmauern in das Verzeichnis der Baudenkmale und Denkmalbereiche in Büderich hatte keinen Erfolg. Ihre Erhaltung obliegt somit allein dem Verständnis der Eigentümer für Bedeutung und Schönheit. Der dauerhafte Erhalt der Mauern aus den heimischen Bruchsteinen ist wegen ihrer ortsprägenden und kulturhistorischen Bedeutung mehr als wünschenswert.
Aspekt Naturschutz
Eine Mauer aus Bruchsteinen bietet Pflanzen und Tieren einen besonderen Lebensraum. Die scheinbar toten Steingebilde stellen bei genauer Betrachtung komplizierte Klein-Ökosysteme dar. Diese Ökosysteme sind sehr differenziert. Entscheidend ist das Mikroklima, die Fähigkeit Wärme aufzunehmen und zu speichern sowie Feuchtigkeit mehr oder weniger gut zu halten. Einen großen Einfluß auf das Mikroklima hat die Funktion der Mauer. Eine Hauswand ist – vor allem im Winter – wärmer als eine freistehende Begrenzungsmauer, und Stützmauern sind besonders feucht, da sie nur an einer Seite dem Wind und der Sonne ausgesetzt sind. Einfluß auf die Lebensbedingungen in und auf der Mauer hat auch ihr Standort: Dorf oder Stadt, naturnahe Umgebung oder versiegelte oder befahrene Fläche. Die auf die speziellen Lebensbedingungen eingestellten Pflanzen und Tiere siedeln sich oft erst nach vielen Jahren an, wenn Verwitterungsprozesse eingesetzt haben und Mauerritzen entstanden sind. Zunächst siedeln sich Algen und Flechten an. Es folgen Moose, Gräser und Farne wie Mauerraute (Bild 2), Engelsüß und Brauner Streifenfarn (Bild 3). Auch Weidenröschen, Glockenblume, Efeu, Giersch, Großes Schöllkraut und Königskerzen sind anzutreffen. Je älter eine Mauer ist, um so größer ist im allgemeinen die Vielfalt. Und so ist auch nach Jahrzehnten ein Besiedlungsprozeß nicht abgeschlossen.
Als Kleintiere suchen Hautpflügler (Grabwespen, Wildbienen, Ameisen), zahlreiche Spinnenarten (Zebraspinne, Weberknecht), Schnecken (Bild 4), Asseln, Springschwänsche und Milben die Mauerritzen zum dauernden Aufenthalt, als Tages- oder Nachtversteck, als Winterquartier oder Kinderstube. Wirbeltiere wie Eidechsen sind eher selten. Dagegen suchen Vögel oft an Mauern ihre Beute. Die an den Mauern wachsenden Pflanzen bieten Schmetterlingen und Käfern ihre Nahrung.
Die Mauern, obwohl von Menschenhand geschaffen, kommen naturnahen Biotopen wie Felswänden und Abhängen nahe. Sie stellen Ersatzbiotope dar und geben den spezialisierten Lebewesen einen Lebensraum.
Initiative der Naturschutzgruppe
Die Bruchsteinmauern zu erhalten, wird immer schwieriger. Die Mauern werden zunehmend brüchig. Witterungseiflüsse, drückendes Erdreich, stark wurzelnde Bäume und Sträucher, unsachgemäße Instandhaltungsmaßnahmen sowie Tief- und Straßenbauarbeiten setzen den Mauern stark zu. Nicht zuletzt die Kosten, die eine Erhaltung mit sich bringt, schrecken Eigentümer von einer Instandsetzung oder Erneuerung ab. Zudem sind alte, heimische Bruchsteine nicht immer verfügbar.
Im Frühjahr 1996 wurde in Büderich eine Stützmauer aus Grünsandsteinwerk auf einer Länge von etwa 40 m abgerissen und durch eintönige Betonfertigelemente ersetzt. Kurze Zeit danach hat ein Grundstücksbesitzer in Westönnen eine mächtige, ebenfalls etwa 40 m lange Einfriedungsmauer abgetragen. Dies hat die Naturschutzgruppe veranlaßt, am 8 August 1996 folgenden Antrag in den Bau- und Umweltausschuß einzubringen:
Die Verwaltung wird beauftragt, zum Schutz der im Stadtgebiet vorhandenen charakteristischen, aus Grünsandstein errichteten Einfriedungs- und Stützmauern einen Satzungsentwurf zu erstellen und dem Bau- und Umweltausschuß in seiner nächsten Sitzung zur Beratung und Beschlußfassung vorzulegen.
Hiermit sollte erreicht werden, daß diese Mauern dauerhaft erhalten bleiben. Als Gründe wurden neben dem Erhalt der charakteristischen Ortsbilder vor allem auf den Wert der Mauern als Lebensraum für Pflanzen und Tiere hingewiesen. Es wurde auch hervorgehoben, daß mit Freude beobachtet wird, wenn beim Gebäudeabbruch anfallende Mauersteine sorgfältig aufgearbeitet, zwischengelagert und wieder verwendet werden, wie in Westönnen am Parkplatz Schützenhalle, der Schützenhalle selbst und an der Bushaltestelle Kirche. Zudem wurde angeboten, die Verwaltung bei der Erstellung der Satzung zu unterstützen. Im Bau- und Umweltausschuß habe ich hinsichtlich der sich anbahnenden Gefahr folgende Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt:
– Fördermöglichkeiten, zum Beispiel Mittel aus dem Dorferneuerungsprogramm vom Amt für Agrarordnung, nutzen.
– Ortsvorsteher, wissend um die Planungen und Geschehnisse im Dorf, setzen sich für den Erhalt der Mauern ein und beraten die Eigentümer.
– Eigentümer erhalten Informationsmaterial über die Bedeutung der Mauern und über geeignete Sanierungsmaßnahmen.
– Vorträge vor Dorfgemeinschaften, Landwirtschaftlichen Ortsvereinen, Siedlergemeinschaften und anderen Vereinen halten.
In der Sitzung wurde aber auch die Überzeugung zum Ausdruck gebracht, daß dies allein nicht ausreichen wird, um die Mauern wirksam und dauerhaft zu schützen. Nur eine Satzung, ähnlich der Satzung über die historische Altstadt, sei letztlich ein wirksames Mittel. In der Diskussion wurde durchgängig der Wert der Mauern anerkannt. Die Verwaltung hat die Bedeutung der Mauern als speziellen Lebensraum bestätigt und eine Unterstützung durch Satzung als rechtlich möglich erklärt. Der Antrag wurde in der anschließenden Abstimmung abgelehnt. Hauptgrund dafür war, daß die Mehrheit nicht in die Rechte der Eigentümer eingreifen wollte. Allerdings wurde folgender Beschluß gefaßt:
Der Bau- und Umweltausschuß empfiehlt der Verwaltung, im Rahmen ihrer Möglichkeiten darauf hinzuwirken, daß die Stadt Werl vorhandenen Grünsandsteinmauern erhalten bleiben bzw. bei Abbruch von Gebäuden oder Mauern aus Grünsandstein die Steine innerhalb der Stadtgrenzen verbleiben und ordnungsgemäß zwischengelagert werden, um eine Wiederverwendung (z.B. für Instandsetzung) zu ermöglichen.
Praktische Hinweise zum Erhalt von Grünsandsteinmauern
Was können Besitzer von Grünsandsteinmauern tun, um diese dauerhaft zu erhalten und dabei auch weiterhin den Pflanzen und Tieren einen Lebensraum zu bieten? Grundsätzlich sollte man nur unmittelbare Schäden beheben und von Generalüberholungen absehen. Unabhängig davon, daß die Pflanzen absterben und der Lebensraum für Tiere vernichtet wird, hat die Erfahrung gezeigt, daß bei einem totalen Abbruch viele Steine zerfallen. Unser heimischer Grünsandstein hat nicht die Festigkeit eines Anröchter Grünsandsteins und hält vielfach nur, solange er im Mauerverbandsitzt. Muß tatsächlich einmal ein größerer Mauerabschnitt saniert werden, so sollten seltene und wertvolle Pflanzenbestände umgesiedelt werden.
Oft stellt sich die Frage ob eine Grünsandsteinmauer als Trockenmauer errichtet werden muß. Eine Trockenmauer hat den Vorteil, daß sie unmittelbar besiedelt werden kann. Die gewünschte Stabilität kann auch bei einer Trockenmauer erreicht werden, und zwar durch eine 10 bis 20 %ige Neigung aus der Lotrechten und einem guten Steinverband. Weitere Vorteile sind ihre Elastizität, sie benötigt keine aufwendigen Fundamente, macht leichte Bodenbewegungen durch Frost oder Setzung ohne Schaden mit und ist bei Bedarf leicht zu reparieren. Soll für die Fugen jedoch ein Mörtel verwendet werden, so läßt man die Fugen mindestens drei bis vier Zentimeter zurückspringen und glättet sie nicht. Dadurch schafft man ebenfalls recht gute Lebensbedingungen, es braucht nur etwas mehr Zeit. Platz für Pflanzen und Tiere ist auch durch besonders breite Stoßfugen zu schaffen oder dadurch, daß einzelne Steine im Verband nicht gesetzt werden. Nur wenn besonders hohe Anforderungen an die Stabilität einer Stützmauer gestellt werden, sollte eine Betonkonstruktion mit einem Vormauerwerk aus Grünsandstein erstellt werden. (Bild 5)
Wichtig für die Beständigkeit einer Mauer ist der Schutz vor eindringendem Wasser wegen der Sprengwirkung gefrierenden Wassers. Trockenmauern haben hier den Vorteil, daß sich keine Staunässe bildet. Stützmauern erhalten eine Hinterfüllung aus Lockergestein, das eine drainierende Wirkung hat. Einfriedungsmauern bekommen eine Abdeckung, idealerweise eine flache Krone mit oder ohne Bewuchs über einer Sperrschicht oder einen Soester Sattel. Abdeckungen aus Bruchsteinplatten oder durch Dreiecksteine sind aus der Sicht des Naturschutzes nicht günstig. Betonabdeckungen scheiden erst recht aus. Wichtig für die Beständigkeit ist auch, daß die Steine so verarbeitet werden, wie sie gewachsen sind. Wird eine ursprünglich waagerechte Schicht senkrecht in die Mauer eingebaut, besteht die große Gefahr, daß die sichtbaren Spitzen abplatzen.
Für den Mörtel kommen nur weiche Bindemittel wie Kalk und Mischungen mit Traß in Frage. Der heute meist gebrauchte Portlandzement hat den Nachteil, daß der Mörtel zu hart für unseren weichen Grünsandstein wird. Ferner kann der abgebundene Mörtel kein Wasser aufnehmen, was zu Spannungsrissen führt. Hinzu kommt seine chemische Aggressivität. Viele Schäden haben ihre Ursache darin, daß in früheren Jahren, obwohl gut gemeint, Zementmörtel bei Reparaturen eingesetzt wurden. Der Westönner Helmut Bettenbrock, einer der wenigen Maurer, die Bruchsteine mit sicherem Auge und geschickter Hand verarbeiten können, nimmt folgende Mörtelmischung: Auf vier bis fünf Teile Sand kommt ein Teil Traßkalk. Für den Sand wählt er eine Mischung aus Maurersand mit einem Drittel Rheinsand. In früheren Zeiten hat er Schlackensand und Brandkalk verwendet. In der Denkmalpflege tätige Spezialfirmen legen die Zusammensetzung des Mörtels in jedem Einzelfall fest und verwenden verschiedene, gewaschene Sande und unterschiedlichste Bindemittel sowie Zusatzmittel, die oft Betriebsgeheimnisse sind.
Alle Arbeiten an der Mauer sollen schonend ausgeführt werden. Der Einsatz von Hochdruckreinigern oder gar Sandstrahlgeräten verbietet sich, greift er doch erheblich stärker die Substanz einer Mauer an, als dies Flechten je vermögen. Auf Oberflächenbehandlungen wie Mineralisieren und Imprägnieren ist auf jeden Fall zu verzichten. Zudem müßten diese regelmäßig wiederholt werden.
Nun werden heimische Bruchsteine, wie bereits ausgeführt, nicht mehr gewonnen. Damit eine erforderliche Sanierung nicht an fehlenden Steinen scheitert, sollten nach dem Westönner Vorbild Mauersteine aus Gebäudeabbruch gesichert und vor Witterungseinflüssen geschützt aufbewahrt werden. Es ist zu wünschen, daß andere Dorfgemeinschaften und auch Privatpersonen dem Beispiel folgen. Auch die Stadt kann ergänzend zum Ratsbeschluß hierzu einen Beitrag leisten, indem sie geeigneten Lagerraum zur Verfügung stellt.
Schlußbetrachtung
Bruchsteinmauern beleben in Werl Stadtzentrum und Dörfer. In Büderich und in Westönnen sind noch zahlreiche Mauern aus heimischen Grünsandsteinen vorhanden. Ihr dauerhafter Bestand ist jedoch aus unterschiedlichen Gründen stark gefährdet. Eine Unterschutzstellung ist bisher nicht erfolgt. Sie unterliegen weder Denkmalschutz noch Satzungsrecht. Der Antrag der Naturschutzgruppe vom 8. August 1996, die Mauern durch Satzung zu sichern, hatte in Bau- und Umweltausschuß keine Chancen. So bleibt allein der Appell an die Bevölkerung und die Eigentümer, die Mauern weiterhin umfassend zu erhalten und zu pflegen. Erfreulich ist, daß bei Neubauten wieder Grünsandsteinmauern errichtet werden. Dann ist nachrangig, wenn statt des heimischen Grünsandsteins Steine aus Anröchte, Klieve oder Berge eingesetzt werden.
Mit diesem Aufsatz möchte ich mit dazu beitragen, den Sinn für die Schönheit und Bedeutung der Mauern wach zu halten. Die praktischen Tips für die Bauausführung sollen Eigentümern und Handwerkern Hilfestellung für Instandhaltungsarbeiten geben. Mögen die Eigentümer ihre Mauern bewahren, damit sie und die Spaziergänger sich noch lange an den Mauern mit ihrer Artenvielfalt erfreuen. Dann können Eltern und Kinder auch in Zukunft singen:
Auf der Mauer auf der Lauer
sitzt ´ne kleine Wanze
Auf der Mauer auf der Lauer
sitzt `ne kleine Wanze
Seht euch nur die Wanze an,
wie die Wanze tanzen kann!
Auf der Mauer auf der Lauer
sitzt `ne kleine Wanze.
Literaturhinweise:
Gestaltungssatzung der Stadt Rüthen vom 17.10.1985
Hitzke, Paul: Rettet die Soester Grünsandsteinmauern,
Heimatkalender des Kreises Soest 1988, S. 41
Haese, Ulrich: Naturschutzgerechte Sanierung von
historischem Mauerwerk, Rheinische Heimatpflege –
28. Jahrgang – Neue Folge – 1/91. S. 21
Fischer, Helmut: Denkmalschutz gegen Naturschutz? –
Oder das gemeinsame Bemühen um das „Denkmal“,
dh-INFO 5/6 1991, S.1, Bonn
Joger, Hans Günter: Die Mauer als Lebensraum für
Tiere, dh-INFO 5/6 1991, S. 9, Bonn
Naturschutzzentrum NRW bei der Landesanstalt für
Ökologie, Landschaftsentwicklung und Forstplanung
NRW, Recklinghausen: Der Naturtip 6 – Anlage von
Natursteinmauern, 1993
Landschaftsverband Westfalen-Lippe, Westfälisches
Amt für Landes- und Baupflege, Münster: Büren –
Historischer Stadtkern – Stadtbildprägende Bruch-
steinmauern – Untersuchung zur Sanierung, 1995
Autor: Walter Schlummer