Die Breite Straße
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Das Bild oben zeigt, wo die „Breite Straße“ beginnt. Es ist die längste Straße des Dorfes. Sie beginnt an der B1 und endet am Mühlenbach vor dem Nachbardorf Oberbergstraße. Das Bild entstand, als die Kreuzung an der B1 noch nicht ausgebaut war. Die Straße läuft gerade auf das Gasthaus Pielsticker (Düperthal, Weller) zu. Heute führt sie östlich an ihm vorbei. Auf dem Bild ist das Tal der Walbke noch östlich der Straße, heute verläuft das Walbketal im Westen der Straße.

Als es noch keine offiziellen Straßennamen gab, kannte man im Dorf dieses Straßenstück unter dem Namen „Pourierufer“. Woher der Name kommt, und ob er richtig geschrieben ist, weiß ich nicht. In der Schule lernten wir, der Name hätte etwas mit Barriereufer zu tun (Barriere, gleich Schranke, Hindernis). Und eine Barriere bedeutete dieses Ufer für Westönnen tatsächlich. Zumal der Anstieg der Straße vor ihrem Ausbau im letzten Teil wesentlich steiler war. Der meiste Verkehr, der in das Dorf führte oder aus dem Dorf kam, musste sich an dieser Barriere quälen. Beladene Erntewagen, die gerne zu zweien zusammengekoppelt wurden, hatten Bremsprobleme, wenn sie ihre Ladung heile in das Dorf bringen wollten. Schwerer war es natürlich bergauf auf die Chaussee zu kommen. So nannte man früher allgemein die heutige B1. Niemand sprach von der Reichsstraße 1., die damals von Aachen bis Königsberg reichte. Schwer war es zum Beispiel den Stalldünger auf die Felder zu bringen. Da waren die Bauern froh und stolz, die über ein drittes Pferd zum Vorspannen verfügten.

Schlimm wurden diese Probleme, wenn die Straße im Winter glatt wurde. Schon wenig Schnee war oft in kurzer Zeit durch die mit Eisen bereiften Ackerwagen zu Eis geworden. Dann war das Hindernis nur zu überwinden, wenn die Pferde scharf gemacht worden waren. Was bedeutete das? Die Hufeisen für den Sommer wurden von den Hufen der Pferde gerissen und durch schwerere Eisen ersetzt, in die man spitze Stollen schrauben konnte. Das war teuer und gefährlich. Die Schmiede bekamen Arbeit; wir hatten immerhin drei davon im Dorf. Bei glatten Straßen ließ man die Pferde gerne im Stall, aber das ging nicht immer. So holten drei Milchwagen bei jedem Wetter die Milch von den Bauern und lieferten sie bei der Westönner Molkerei ab. Auf dem Rückweg nahmen sie die entrahmte Milch teilweise mit zurück. Ein Milchwagen startete in Gerlingen, nahm auch die Milch in Mawicke auf und von etlichen Bauern in Westönnen. Der zweite Wagen begann seine Fahrt in Niederbergstraße und bediente die Bauern in Oberbergstraße und etliche Bauern in Westönnen. Der dritte Wagen kam von Werl und fuhr die Bauernhöfe im Osten der Stadt an, aber auch Höfe in Westönnen.

Bauern, die im Westen der Stadt ihre Höfe hatten, lieferten ihre Milch nach Büderich. Das war nicht immer leicht. Ich weiß, dass die Wagen in Schneewehen stecken blieben. Sie mussten dann erst freigeschaufelt werden.

Die bearbeitete Milch wurde teilweise von zwei kleinen geschlossenen Milchwagen, die nur von einem Pferd gezogen wurden, von Büderich und von Westönnen in die Stadt Werl geliefert. Von Westönnen aus besorgte das die Familie Ludmann vom Opferteich.

Und wer freute sich über die glatten Straßen, die nicht geräumt und nicht mit Salz besteut wurden? Die gesamte Dorfjugend jubelte, wenn man am Pourierufer rodeln konnte. Je mehr Schlitten den Hang hinuntersausten, desto glatter wurde die Bahn. Mit einem guten Schlitten, einem guten Anlauf ( bei dem der Schlitten vor dem Körper getragen wurde ), konnte man bei guten Eisverhältnissen, wenn man sich der Länge nach auf den Schlitten warf, etwa die Stelle erreichen, wo heute „Der Teekamp“ anfängt.

Waren genug Rodler am Start, wurde der Tagessieger ermittelt.

Pflichtgemäß erschien dann irgendwann der Dorfpolizist und machte darauf aufmerksam, dass auf dieser Straße das Rodeln verboten war. Kaum war er weg, ging das Rodeln weiter, und die Nachbarn hüteten sich, sich zu beklagen. Wer wollte sich schon mit dem ganzen Dorf anlegen.


Der Beginn der Straße heute
Friedrich Schleep