Unsere Kirchturmuhr
Warum hat sie keine Zifferblätter?

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In der letzten Zeit wurden öfter Fragen nach der Kirchturmuhr und nach den Zifferblättern gestellt. Das ist erstaunlich. Früher richtete sich das Leben im Dorfe nach den Schlägen der Kirchenuhr. Heute wird der Glockenschlag doch oft nur als störend empfunden. In Westönnen kamen noch die Eisenbahnen als Zeitanzeiger hinzu. Man kannte die Fahrpläne auswendig und konnte sich an den Zügen orientieren. Wer trug schon eine Uhr, zumal während der Arbeit?

Dazu eine Anekdote: Es war im Jahre 1945, als ich auf einem Acker im Süden an der Grenze der Westönner Feldflur arbeitete. Gleich nebenan pflügte ein Knecht einen Acker. Er konnte die Kirchenuhr nicht mehr hören, und wenn sie ein Zifferblatt gehabt hätte, so hätte er es aus der Entfernung nicht mehr lesen können. Er fragte mich nach der Zeit, er wusste nicht, ob die Mittagspause nahte. Der Mann hatte sogar eine Uhr, an der aber nur noch der große Zeiger war ( "sei hiätt blous eunen Wuiser": wie er sagte). Der Mann war im Zählen der Stunden verkommen.

Die Frage nach den Zifferblättern hat sich immer wieder gestellt. Restlos beantworten kann sie wohl niemand. Aus der Geschichte lässt sich aber einiges erklären.

Beim Neubau der Kirche ging so ziemlich alles schief, was nur schief gehen kann. Außerdem
wollten die Westönner wohl eine neue Kirche haben, aber sie sollte möglichst wenig kosten.
Die finanziellen Probleme wurden noch erschwert, weil für den Bau des Turmes die politische Gemeinde aufkommen musste.

links: (1) Die "Westönner Kaffeemühle"

Als die Kirche am 20.11.1823 endlich eingeweiht wurde, war keiner mit dem Bau zufrieden.
Innen und außen bot sie wohl ein klägliches Bild, und das Kirchendach war nicht dicht.
Der Kirchturm war klein und unansehnlich. Eine Zeichnung von Franz Sauer
(1), der von 1853 - 1912 lebte, zeigt den alten Kirchturm, der im Volksmunde " die Westönner Kaffeemühle" genannt wurde. Da war vielleicht noch nicht einmal Platz, um ein ordentliches Zifferblatt anzubringen. Außerdem bekam die Kirche erst im Jahre 1870 eine neue Uhr der Meinhardschen Turmuhrenfabrik aus München, und der schöne Turmhelm mit den vier Giebelfeldern wurde erst 1877 errichtet. Jetzt ist der Turm gut 40 Meter hoch und mit dem Wetterhahn 43 Meter.

Wenn man diese Zeilen liest, kann man leicht denken, die oben genannte Uhr sei die erste in Westönnen gewesen. Das ist aber nicht der Fall. Nur wenige Dinge sind aus der alten Kirche in die neue übernommen worden. Da sind zuerst einmal die vier alten Glocken, dann der stabile Glockenstuhl und die alte Turmuhr, von der nie gesprochen wurde.

Da soll die Festschrift zu Wort kommen, die im Herbst 1982 erstellt wurde, als das neue Geläut mit sieben Glocken der Gemeinde übergeben werden konnte. Die Schrift heißt:
"GLOCKEN UND LÄUTEN im Kirchspiel Westönnen". Sie wurde von Theo Halekotte und Gerhard Best erstellt.

Da heißt es ab Seite 30:" "Erste Quittungen die Kirchturmuhr betreffend finden wir in Westönnen im Jahre 1813; der Name "Uhrglocke" taucht allerdings schon über 100 Jahre früher auf, denn 1711 wird "die Leitungh deß gewichtz an der Uhrklocken" repariert. Zu dieser Zeit hat es also bereits eine Turmuhr mit Stundenschlag gegeben, wobei, wie Spuren am alten Glockenstuhl deutlich zeigen - die Viertelstundenschläge an der kleinsten Glocke von 1671, die vollen Stunden an der Bauernglocke geschlagen wurden.

Bis 1870 (als die neue Uhr kam ) hatte die alte Uhr dann das folgende, damals allgemein
übliche Schlagschema: Die vollen Stunden wurden mit der zweiten und fünften Glocke angezeigt, jede halbe Stunde mit einem Schlag auf die zweite Glocke.
(Zwei Glocken wurden im ersten Krieg eingeschmolzen.)

    
Die Meinhardsche Kirchturmuhr aus München aus dem Jahre 1870
    
Die alten Antriebsgewichte

Seit dem Einbau des neuen Schlagwerkes 1870 gab die Engel des Herrn - Glocke die Viertelstunden an, die Bauernglocke schlug die vollen Stunden.
Seit die neuen Glocken zur Verfügung stehen, werden die Viertelstunden mit der neuen Peter - und Paulsglocke angeschlagen -- , die Bauernglocke gibt die vollen Stunden an.""
Man hat den Schlag der Viertelstunden verlegt, um die alte Glocke zu schonen.

Die Uhr und das Schlagwerk wurden nach dem gleichen Prinzip angetrieben, wie man es bei Stand - und Wanduhren findet. Drei mächtige Sandsteine, die mit eisernen Ringen an Seilen hingen, sorgten für den Antrieb. Die Steine konnte man aber nicht mal eben nach oben ziehen. Dazu waren sie zu schwer. Sie mussten mit einer Kurbel täglich angehoben werden, und damit die Uhr nicht schon zu bald wieder stehen blieb, gab es ein Loch im Boden, so dass die Steine durch zwei Etagen wandern konnten und dabei eine Höhe von etwa acht Metern überwanden, um die Uhr in Gang zu halten. Drei Steine waren erforderlich; einer hielt das Uhrwerk in Gang, und je ein Stein war nötig, um den Stundenschlag und den Schlag der Viertelstunden zu tätigen.

     
Die neue Peter- und Paulsglocke, rechts der Hammer für den Schlag der Viertelstunden, von oben gesehen

Die Glocken werden und wurden von Hämmern angeschlagen, die durch Drahtseile und Gestänge mit der Uhr in Verbindung standen und stehen. Diese Seile haben ihre Spuren am Balkenwerk hinterlassen.

Die alte Uhr von 1870 und drei Steine, die die Uhr antrieben, sind noch im Kirchturm
vorhanden. Sie haben ausgedient. Von der Uhr gingen drei Stahlseile aus, die sich auf den noch vorhandenen Trommeln aufrollten. Das letzte Ende bis zu den Steinen wurde durch Hanftaue überbrückt. Die Stahlseile, die zur Uhr gehörten, waren wohl zu kurz, um die acht Meter durch zwei Geschosse zu überbrücken. Die Glocken werden schon seit 1958 elektrisch angetrieben. Die Mechanik der Uhr diente aber noch weiter. Erst am Ende der gesamten Renovierung der Kirche 1969 wurde auch der Antrieb der Uhr elektrifiziert.
Auch das Schlagwerk der Uhr wird heute von Motoren in Gang gesetzt.


Die Bauernglocke mit dem Hammer für den Stundenschlag

Und was ist mit den Zifferblättern? An dem hohen Turmhelm wäre sicher Platz, sie so anzubringen, dass sie zum Bauwerk passten. Im Zeitalter der Elektronik dürfte die Technik auch kaum Probleme bereiten. Bliebe die Bezahlung. -- Nein, es bleibt noch mehr.
Viele Instanzen müssten die Änderung bejahen. Und da unsere Kirche zu den Baudenkmalen zählt, hätte das letzte Wort der Landeskonservator. Conservare heißt aber nichts anderes als bewahren und erhalten.

Anmerkungen: 1 Heimatbuch von Heinrich Westhues, 1966, vor der Seite 113
Friedrich Schleep