Der Westönner Bahnhof
Aus seiner Geschichte

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Die ersten Züge der Bergisch - Märkischen - Eisenbahn fuhren am 1.07.1855 durch unser Dorf, aber sie hielten nicht an. Ostönnen, ziemlich genau zwischen Werl und Soest gelegen, war wohl als Verkehrszentrum vorgesehen. Noch heute gibt es viele Landkarten, die Ostönnen verzeichnen, aber Westönnen nicht kennen. Gerade heute erfuhr ich von einem Studenten an der Uni Münster, dass da in ihren Angaben noch ein Bahnhof Ostönnen aufgeführt wird, den es seit Jahrzehnten nicht mehr gibt. Die zentrale Lage wurde noch durch die Ruhr - Lippe - Kleinbahn unterstrichen, die von Ostönnen aus ihre Züge in drei Richtungen schickte. Nämlich nach Soest, Arnsberg und Werl, Hamm. Man musste dort immer umsteigen. Die Post schloss sich dem Trend an und installierte in Östönnen ein eigenes Telefonamt, das bis heute unter der Nummer 02928 geführt wird. Die Mawicker Bürger waren gegen diese Lösung, weil sie mehr Verbindungen nach Werl und Westönnen hatten. Sie wurden zu dieser Lösung gezwungen. Und die Post war bis heute nicht in der Lage diesem Anachronismus ein Ende zu bereiten. Oder wollte sie es nicht?

Ein Bild aus dem Heimatbuch von Westönnen; es wurde vor 1939 aufgenommen. Mit dem Beginn des Krieges wurden an der ganzen Bahnstrecke die eisernen Zäune abgebrochen, um Kriegsmaterial zu gewinnen.

Und unser Bahnhof? Als die Westönner auch einen Bahnhof haben wollten, wurden sie kräftig zur Kasse gebeten. Sie mussten das Baugelände stellen und erhebliche finanzielle Mittel aufbringen. Für die Bewohner von Oberbergstraße wurde ein Fußweg durch die Westönner Gemeindewiesen angelegt. Heute ist dieser Weg verbreitert und asphaltiert; er trägt aber noch den Namen Bahnhofsweg.


Winter 1953/54
Der Bahnhofsweg: Blick von Norden auf die Bahnlinie. Der Kirchturm im Hintergrund.

Gebaut wurde der Bahnhof von der Westönner Firma Buchgeister, die ja noch heute in unserem Dorf arbeitet.
1901 wurde der Bahnhof fertig, und die ersten Züge hielten am ersten Oktober dieses Jahres in unserem Dorf. Und was hatte der Bahnhof zu bieten? Wir denken heute zuerst an die Personenbeförderung. Das war aber nicht alles.

 
Blick vom Bahnsteig auf den Bahnhof, früher (1) und heute.

Beginnen wir mit dem Stellwerk. Von dort wurden die Signale, die Weichen und die Schranke bedient. Es gab nicht nur Telefone und drei Telegraphenapparate sondern ein kompliziertes Sicherheitssystem.
Der Bahnhofsvorsteher hatte sein Büro und im Obergeschoss eine Wohnung für sich und seine Familie. Er zahlte auch die Gehälter an die vielen Bediensteten der Bahn, die in Westönnen und Mawicke wohnten. Da gab es die Fahrkartenausgabe und einen ungastlichen Warteraum, der aber im Winter gut geheizt war.
Die Gepäckabfertigung bot den Bürgern einen Service, den wir uns heute kaum noch vorstellen können. Dort konnte man jede Ware versenden oder empfangen. Man unterschied zwischen normalem Frachtgut, Eilgut, Expressgut und Reisegepäck. Kam eine Ware an, so wurde der Empfänger über das Telefon unterrichtet. Da nur wenige Bürger einen eigenen Telefonanschluss hatten, erfolgte die Benachrichtigung meistens durch eine Postkarte.
Dann war da die Ladestraße, die in den letzten Jahren fast ganz von der Firma Prinz & Co überbaut wurde. Dort wurden die Waggons beladen oder entladen. Kohlen, Kunstdünger und Baumaterial kamen in Westönnen an. Landwirtschaftliche Produkte, besonders Weißkohl und Sauerkraut, wurden verladen. Die Möbelfabrik Hering verschickte sämtliche Möbel mit der Bahn. Mit Handkarren wurden sie an die Waggons herangeschafft. Sogar lebendes Vieh konnte man verladen. Über eine Rampe konnten die Tiere in die Wagen gelangen.
Als der Straßenverkehr zunahm, verlor der Bahnhof immer mehr von seiner Bedeutung. Die Menschen fuhren mit dem eigenen Motorrad oder Auto. Die Möbelfabrik unterhielt einen ganzen Fuhrpark, um Material zu holen und fertige Produkte auszuliefern.
1965 wurde Westönnen als selbständige Dienststelle aufgelöst. Die Fahrkartenausgabe, der Wartesaal und die Güterabfertigung wurden geschlossen. Lediglich die Firma Prinz & Co und die Bäuerliche Genossenschaft wurden noch einige Jahre über das dritte Gleis an der Ladestraße beliefert.
Ende der 60er Jahre wurde die Bahnstrecke elektrifiziert, und in den 70er Jahren gab man das Stellwerk auf. Die Weichen und die neue Halbschranke wurden aus der Ferne gesteuert.
Das Bahnhofsgebäude verfiel; es wurde nichts mehr angelegt, nur die notwendigsten Reparaturen wurden durchgeführt.

 
2003 Der Bahnhof nach der Restaurierung
Dann fand sich doch noch eine akzeptable Lösung. Als der Ostönner Bahnhof schon abgebrochen worden war, wurde unser Bahnhofsgebäude 1992 unter Denkmalsschutz gestellt. Schon am 01.10.1995 konnten Daniela und Siegfried Schmitt das Gebäude für sich und ihre Kinder erwerben. Sie haben sich nicht vor der Arbeit gescheut, und es ist ihnen gelungen, das solide Gebäude zu retten und im Inneren eine geräumige und gemütliche Wohnung einzurichten. Arbeit gibt es aber noch genug.
Übrigens wurde der Bahnhof am 01.10.2001 100 Jahre alt.
 
Der Bahnhof im Jahre 2003
(1) aus Werl gestern heute morgen 1985
Friedrich Schleep