Die Kirchhöfer

Ihre Rechte-ihre Pflichten!

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Im Jahre 1960 wurde die Westönner Spar - und Darlehnskasse 50 Jahre alt. Man gab damals eine Festschrift heraus, in der Rudolf Preising einen lesenswerten Beitrag zur Geschichte Westönnens veröffentlichte. Leider hat die Schrift keine Seitenangaben, und Quellen werden auch nicht genannt.

Besonders interessant erscheint das, was über die "Kirchhöfer" gesagt wird, zumal nur wenig über sie bekannt sein dürfte.
Preising schreibt: Eine eigene Stellung nahmen in der Gemeinde ehedem die auf dem Kirchhof liegenden Hausstätten ein, der Volksmund nannte sie "Die Kirchhöfer". Das waren im ganzen sieben Häuser, die besonderen Vorschriften unterstanden. Auf dem Kirchhof durfte vor den Häusern kein "Unflat" liegen, und das Viehhüten war dort verboten. Schweineställe und auch Speicher durften nach dem Kirchhofe hin nicht angebaut werden. Den Kirchhöfern war wegen der damit verbundenen Feuersgefahr das Brauen und Backen verboten.

Aber dafür waren sie von öffentlichen Lasten frei, weil sie Bewohner der kirchlichen Immunität waren und als solche nur vom Küster und nicht vom weltlichen Gerichtsdiener vor Gericht geladen werden durften.
Sie hatten das Recht, an Sonn - und Feiertagen , sowie beim Gewitter und bei Beerdigungen die Glocken zu läuten, was im letzten Falle manches schöne Stück Geld einbringen mochte.
Als Abgabe zahlten sie dafür jährlich ein Pfund Wachs an die Kirche und gewährten auf Verlangen dem Pfarrer Handdienste.

 

Links Bild 1:
Die "Priesterglocke" in der Pfarrkirche Westönnen
aus dem Jahre 1671

Wer eine Wohnstätte auf dem Kirchhof erwerben wollte, musste einen Eingangspfennig zahlen, der um 1650 einen Goldgulden ausmachte.

Rudolf Preising greift das Thema der Kirchhöfer noch einmal in seinem Buche "Westönnen - Geschichte eines Kirchspiels und seiner Höfe" von 1977 auf.

Wenn man überhaupt etwas über diese Zeiten weiß, so ist das oft dem Pfarrer Melchior Linnemann zu verdanken, der von 1682 - 1729 in Westönnen tätig war. Er ordnete das Pfarrarchiv neu und hielt Daten und Fakten im sogenannten Lagenbuch fest. Es ist wohl die wichtigste Quelle zur Geschichte der Pfarrei.

Jedenfalls haben die Kirchhöfer es verstanden, ihre Sonderrechte zu verteidigen. Noch am 4.2.1794 hat der Offizial, der oberste Richter des Offizialatgerichtes, in einer Verfügung die Rechte der Kirchhöfer bestätigt.

Das Offizialatgericht war das höchste geistliche Gericht im Herzogtum Westfalen. Es wurde
Zwischen 1478 und 1483 von Arnsberg nach Werl verlegt. Der Richterstuhl aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ist noch in der Propsteikirche zu sehen.

In der Probsteikirche in Werl
Rechts Bild 2: Der Richterstuhl
Unten links Bild 3: Innenraum des Gerichtes
Unten rechts Bild 4: Die äußere Ansicht

In den Napoleonischen Kriegen wurde das Offizialatgericht am 13.10.1802 aufgehoben.
Zu der Zeit dürften die Kirchhöfer auch ihre letzten Sonderrechte verloren haben.

Literaturangabe: Ingeborg Buchholz-Johanek: Das Offizialatgericht .
In: Werl - Geschichte einer westfälischen Stadt, Bd.1, 1994  S. 161ff.

Bildnachweise: Bild 1: Aus Heimatbuch des Kirchspiels Westönnen 1966 S. 33,
Bild 3: Stadtarchiv Werl, Akten, Bild 2 und 4:  F. Schleep (2002
)
Friedrich Schleep