Sie sind kein Verein, aber es gibt sie: Die Westönner Jäger.
Über die Jagd in Westönnen und den damit verbundenen Aktivitäten ist außer in Fachkreisen wenig bekannt. Um dem abzuhelfen, haben wir in einer Serie von Beiträgen den Ursprung der Jagd, die rechtlichen Rahmenbedingungen sowie die aktuell in Westönnen stattfindende Wildbewirtschaftung beleuchtet. Und natürlich auch: Warum wird heutzutage überhaupt noch gejagt?
Mit dem Westönner Heinz Rademacher haben wir einen passionierten und erfahrenen Jäger gefunden, der uns mit einer ganzen Reihe von Informationen und Wissen Einblicke in die Jagd gewährt. An dieser Stelle bedanken wir uns bei Heinz Rademacher für seine Berichte und auch bei Dr. Franz Josef Hering für die Bereitstellung des Bildmaterials.
Ursprung der Jagd
Jagen und Sammeln waren die ursprünglichen Ernährungsgrundlagen der Menschen. Als dieses mit wachsender Bevölkerung als Lebengrundlage nicht mehr ausreichte, kamen Viehzucht und Ackerbau hinzu.
Diese Veränderung hat in das natürliche Gleichgewicht – in der sich die Natur selbst geregelt und ausgeglichen hat – eingegriffen. Im Laufe der Jahrhunderte ist aus einer sich selbst überlassenen Naturlandschaft die von Menschen geformte sogenannte „Kulturlandschaft“ geworden, wie wir sie heute kennen.
Der Eingriff des Menschen in die Natur – und damit in die Lebensbedingungen der frei lebenden Tiere – setzt sich auch heute noch jeden Tag fort: Infrastrukturmaßnahmen, Industrie- und Häuserbau verringern die Flächen; monotonere Landwirtschaft auf immer größeren Feldern verbessert zwar die Wirtschaftlichkeit der landwirtschaftlichen Betriebe, verringert aber die Pflanzenvielfalt und damit das Nahrungsangebot sowie die Schutzmöglichkeiten für Tiere. Ohne entsprechende Gegenmaßnahmen hätten einige Arten keine natürlichen Lebengrundlagen mehr.
Analog zur Land- und Forstwirtschaft ist somit heutzutage eine Wildbewirtschaftung erforderlich, wenn ein vielfältiger und gesunder Bestand an frei lebenden Tieren erhalten werden soll.
* Angelehnt an: Nüßlein, Fritz: Das praktische Handbuch der Jagdkunde, 16 Auflage (2006), S. 14-31
Jagdrechtliche Regelungen heute
Das Jagdrecht steht in Deutschland seit 1848 dem Grundeigentümer zu. Zum Schutz der Tiere darf es der Grundeigentümer aber nur dann selbst ausüben, wenn seine zusammenhängende Fläche die Größe von 75 Hektar (in NRW) erreicht und somit einen Eigenjagdbezirk bildet. Kleinere oder nicht zusammenhängende Flächen innerhalb einer Gemeinde bilden einen gemeinschaftlichen Jagdbezirk, in denen die Jagdgenossenschaft (= Eigentümer der Grundflächen) jagdausübungsberechtigt ist und dieses Recht meist verpachtet. Die Mitgliedschaft aller Grundeigentümer einer Gemeinde in der Jagdgenossenschaft ist verpflichtend, sofern die Fläche eines Eigentümers keinen Eigenjagdbezirk bildet.
Grundsätzlich nicht gejagt wird in sogenannten „Befriedeten Bezirken“, wie z.B. in Hausgärten oder auf Friedhöfen; Eigentümer dieser Flächen gehören auch nicht der Jagdgenossenschaft an.
Jagen darf, wer einen gültigen Jagdschein hat und in einem Jagdbezirk Jagdausübungsberechtigter ist, bzw. über eine entsprechende Einladung des Jagdausübungsberechtigten verfügt.
Der Jagdschein wird von der Verwaltungsbehörde bei Nachweis der Jägerprüfung sowie einer Jagdhaftpflichtversicherung ausgestellt.
Dem Jagdausübungsberechtigten steht das Aneignungsrecht am erlegten Wild zu, also auch das von Jagdgästen erlegte Wild. Das gilt ebenfalls für das im Straßenverkehr überfahrene oder das von unbefugten Personen erlegte Wild.
Wild ist herrenlos solange es lebt. Ist es zu Tode gekommen, gehört es demjenigen der auf dieser Fläche jagdausübungsberechtigt ist.
* Angelehnt an: Nüßlein, Fritz: Das praktische Handbuch der Jagdkunde, 16 Auflage (2006), S. 14-31
Die Wildbewirtschaftung in Westönnen
Die Organisation
In Westönnen gibt es ca. 600 Hektar jagdbare Fläche.
Die Verpachtung erfolgt seit Jahrzehnten an Ortsansässige. Hauptanpächter sind zur Zeit Rudi Düperthal und Thomas Hufelschulte. Weiterer Anpächter ist Franz Sauer. Die Pächter haben es sich zum Ziel gesetzt, alle interessierten Westönner Jäger in die Wildbewirtschaftung einzubeziehen, da sie die Jagd in Westönnen als lokale Angelegenheit ansehen und so auch der dörfliche Zusammenhalt gestärkt werden soll.
Freilebende Tiere
Obwohl es dem Wanderer kaum auffallen dürfte, ist in der Westönner Flur ein artenreicher Tierbestand vorhanden. Mit etwas Glück und genauer Beobachtung wird man (um nur einige Arten zu benennen) Blässhuhn, Bussard, Dachs, Eichelhäher, Elster, Falke, Fasan, Fuchs, Habicht, Hase, Iltis, Kaninchen, Kiebitz, Krähe, Krickente, Marder, Rebhuhn, Rehwild, Roter Milan, Ringeltaube, Schleiereule, Stockente, Teichhuhn, Türkentaube und Wiesel beobachten können.
Vereinzelt kommen Nilgänse vor; das gilt im Herbst auch für Schwarzwild, beschränkt sich aber auf den Bereich südlich der Autobahn.
Rehe haben sich inzwischen als Standwild auch im Winter fest etabliert. Stark reduziert haben sich in den letzten 20 Jahren die Bestände an Rebhühnern (aus Futtermangel) und Kaninchen (Krankheit Myxomathose).
Dagegen haben die Bestände der über Jahre geschützten Krähen stark zugenommen, so dass sie mittlerweile durch Nesträuberei eine Bedrohung für Singvögel, Bodenbrüter und Junghasen darstellen. Die hauptsächlich durch den Fuchs übertragene Tollwut ist in Westönnen seit Jahren nicht mehr aufgetreten. Dagegen bleibt das Problem des Fuchsbandwurms weiterhin relevant, weshalb davon abgeraten wird, in Bodennähe gepflückte Früchte wie Brombeeren oder Holunder ungewaschen zu verzehren.
Die Hegemaßnahmen
Der Trend zur industriellen Landwirtschaft hat auch vor Westönnen nicht Halt gemacht, wodurch sich die Lebensbedingungen vieler frei lebender Tiere verschlechtert haben. Beispielsweise resultiert der Rückgang der Rebhühner, die sich etwa zur Hälfte von Unkrautsamen ernähren, daraus, dass es diese Unkräuter kaum noch gibt. Mit verschiedenen Maßnahmen wird versucht, Ausgleich zu schaffen, wovon alle Arten profitieren.
Innerhalb von Getreidefeldern werden sogen. „Lerchenfelder“ angelegt, d.h. auf diesen pro Hektar etwa 30 m² großen Flächen wird kein Getreide eingesät. Ist das umgebende Getreide auf Normalhöhe gewachsen sind diese Flächen beliebte Aufenthaltsorte für verschiedene Arten, da sie ungestört sind und auch die Deckung vor Fressfeinden nicht weit ist. Beispielsweise am Mühlen- und Siepenbach gibt es bis zu 30 m breite, brach liegende Uferrandstreifen, die teilweise mit Kräuter- und Grasmischungen eingesät werden. Das begünstigt neben den Arten die diese Pflanzen verzehren auch Bienen und Singvögel, wegen der sich dort versammelnden Insekten.
Nördlich der Bahn wurde ein durch Grundwasser gespeister Teich mit Schilfgras von knapp 1000 m² angelegt, in dem Kleinlebewesen wie Frösche, Lurche, Libellen, etc. ihren Biotop finden. Dieser Teich wird – durchaus beabsichtigt – bei entsprechender Witterung im Hochsommer austrocknen. So kann der Teich nicht von Fischen bevölkert werden, die den Laich der Amphibien fressen würden.
Im Sommer werden Tränken für Vögel aufgestellt. Eine Maßnahme, die sich für den privaten Hausgarten ebenfalls anbietet (und ähnlich wichtig wie das Vogelhäuschen im Winter ist). Flache Schüsseln mit Wasser werden von vielen Vogelarten gern angenommen, sofern sie so platziert sind, dass herannahende Katzen rechtzeitig bemerkt werden können. Die auf einigen Feldern ausgesäte Gründüngung dient vielen Arten als Nahrung und Schutz.
Grundsätzlich sind Veränderungen in der Landschaft keine Einbahnstraße. Jede Veränderung kann sowohl die Verschlechterung als auch die Verbesserung der Lebensbedingungen für bestimmte Arten bedeuten. Benachteiligte Arten reduzieren sich oder wandern in passendere Biotope ab; von den neuen Bedingungen profitierende Arten nehmen zu oder wandern neu in eine Region ein. Mit den Hegemaßnahmen soll erreicht werden, dass sich hier alle Arten in einem ökologischen Gleichgewicht aufhalten können.
Keine direkte Hege – aber doch erforderliche Maßnahme – ist es, einmal jährlich zusammen mit der BDSJ Jugendgruppe die Feldflur zu säubern. Neben den Verpackungen von Burger-Brätern, Hausmüll und Plastiktüten mit Grünschnitt, für die jeder Haushalt Mülltonnen besitzt, werden zunehmend bspw. Bildschirme, Computer, Drucker, Fahrräder, Fernseher, Kinderspielzeug, Kühlschränke, Reifen etc. in der Landschaft entsorgt. Offensichtlich gibt es immer noch Zeitgenossen die nicht wissen, dass viel Problemmüll kostenlos bei der ESG in Werl abgegeben werden kann.
Die Bejagung
Die Bejagung erfolgt im Wesentlichen in Form zweier Treibjagden, in die etwa die Hälfte der jagdbaren Fläche einbezogen wird; der Rest bleibt zur Bestandsschonung liegen. Ein typischer Jagdtag beginnt mit dem Hornsignal „Begrüßung“. Danach wird geprüft, ob die Jagdscheine der ca. 20 Schützen gültig sind. Anschließend werden die jagdlichen Regeln und die an diesem Tage freigegebenen Wildarten bekannt gegeben.
Bei einer Treibjagd werden i.d.R. drei Seiten der zu bejagenden Fläche mit Schützen umstellt, die während des Treibens auf ihren Plätzen verbleiben. Auf der verbleibenden Seite wird eine Kette aus Treibern und Schützen mit Jagdhunden gebildet, die die umstellte Fläche mit maßvollem Geräusch abschreiten. Sofern sich freigegebenes Wild zeigt, wird es beschossen. Am Ende des Tages wird die Strecke gelegt und jede Wildart mit einem eigenen Hornsignal verblasen.
Unmittelbar danach wird das Wild zum Verzehr vorbereitet und an Teilnehmer oder Wildhändler verkauft. Wild aus der Westönner Jagd ist sowohl direkt bei den Pächtern als auch bei Edeka Sauer erhältlich. Die Jagd endet mit einem gemeinsamen Essen, welches als „Schüsseltreiben“ bezeichnet wird.
Der Wildbestand und damit auch die Jagdstrecke hängen u.a. stark von der Witterung, der Anzahl der Fressfeinde und den Störungen durch freilaufende Hunde – die Bodenbrüter und Junghasen aufstöbern und die dann oft von den Elterntieren nicht wieder angenommen werden – in der Aufzuchtperiode ab und fluktuiert stark.
Als annähernde Durchschnittswerte kommen in Westönnen in einem Jagdjahr etwa 200 Ringeltauben, 50 Fasanen, 30 Hasen, 10 Krähen, 10 Stockenten, 5 Füchse und 2 Rehe zur Strecke. Anderes jagdbares Wild in Einzelfällen.
Weiterhin wird der Bestand durch Beutegreifer und durch den im Straßenverkehr getötetes Wild reduziert. Letzteres ist besonders gravierend bei Rehwild. Jedes Jahr werden bis zu 10 Rehe durch Autos „erlegt“. Besonders gefährdet sind die Kreisstraße 2 von der B1 nach Heideröschen sowie die B1.
Weiterhin wird der Bestand durch Beutegreifer und durch den im Straßenverkehr getötetes Wild reduziert. Letzteres ist besonders gravierend bei Rehwild. Jedes Jahr werden bis zu 10 Rehe durch Autos „erlegt“. Besonders gefährdet sind die Kreisstraße 2 von der B1 nach Heideröschen sowie die B1. Jeder Wildunfall kann auch für die Autoinsassen schlimme Folgen haben, weshalb man insbesondere in der Dämmerung vorsichtig unterwegs sein sollte.
Unfälle mit Rehwild werden nicht selten durch freilaufende Hunde ausgelöst. Rehwild ist schreckhaft und reagiert bei Störungen oft mit planloser Flucht. Die von freilaufenden Hunden ausgehende Gefahr liegt nicht darin, dass sie ein Reh packen könnten, sondern darin, dass sie es zur Flucht veranlassen wodurch es zu Unfällen kommt; weshalb empfohlen wird, Hunde immer an der Leine zu führen.
Hauptstrecke in Westönnen sind Ringeltauben. Diese werden verstärkt bejagt, da sie bei Gemüsepflanzen und Raps große Schäden anrichten. Das ist auch der Grund dafür, dass die Friedhöfe in Werl und Westönnen nach Behördlicher Genehmigung in die Taubenjagd einbezogen werden.
Zum Ausblick
Warum gibt es die Jagd heutzutage überhaupt noch?
Durch den Eingriff des Menschen in die Natur haben sich die Existenzbedingungen der frei lebenden Tiere verändert. Für einige Arten haben sich die Lebenschancen verringert, andere konnten sich anpassen und profitieren davon. Konkret für Westönnen: Singvögel und Bodenbrüter nehmen ab; Rabenvögel, die sich auch von den Eiern dieser Arten ernähren, nehmen zu.
Die Jagd greift ausgleichend ein und versucht die Biotope der Erstgenannten zu verbessern und durch Bejagung den Bestand der Letztgenannten zu reduzieren, so dass alle Arten existieren können. Grundsätzlich ist die Natur so eingerichtet, dass ein Lebewesen der Ernährung anderer Lebewesen dient. Das gilt auch heute noch und ist überall auf der Welt ein normaler Vorgang.
Was die Menschen in zivilisierten Regionen angeht, so hat die Jagd ihre Bedeutung als Nahrungsgrundlage weitgehend verloren und wurde durch Tierhaltung mit Schlachtung ersetzt. Trotzdem gibt es sie noch. Jagd war und ist auch heute noch die Nutzung der Natur. Es ist die Ernte der Wildbewirtschaftung und in ihrer Menge so, dass der Zuwachs des Jahres entnommen und die Bestände in einer Größenordnung verbleiben, dass sie in der nahrungsarmen Zeit des Winters überleben können.
Die Jagd ist ein Teil des Kreislaufs der Natur; sie trägt dazu bei, dass dieser Kreislauf bei den vorliegenden Rahmenbedingungen in unserer Kulturlandschaft funktioniert und uns eine artenreiche Tierwelt in einem ökologischen Gleichgewicht erhalten bleibt. Für Westönnen kann das als erreicht angesehen werden.