Beim Studium diverser Heimatliteratur ist uns ein interessanter Beitrag über den Westönner Grünsandstein aufgefallen. Im WESTFALENSPIEGEL vom März 1969 berichtet Albert Dahlhoff über dieses interessante Material. Von der Redaktion des WESTFALENSPIEGELS haben wir die Genehmigung erhalten, den Beitrag zu veröffentlichen. Vielen Dank dafür.
Albert Dahlhoff ist 1912 in Belecke geboren und 1985 in Werl gestorben.
Nach dem Abitur ging er zum Soester Anzeiger, dessen Chefredakteur er bis 1945 blieb. Nach dem Krieg fand er eine Stelle als Journalist bei der 1949 gegründeten Westfalenpost. Er war unter anderem ein gern gelesener Autor des Soester Heimatkalenders.
Westfalen hat Westönnen noch nicht entdeckt, aber es wird noch dazu kommen. Denn es hat eine Besonderheit, die es mit keiner anderen Gemeinde des Hellwegs und wohl auch Westdeutschlands teilt: Es ist ein Grünsandsteindorf. Außer Wohnhäusern sind sogar Ställe und Scheunen in Grünsandstein ausgeführt.
Das war nicht immer so. Von den ältesten Bauernhöfen besteht kein einziger aus Sandstein, sondern es sind biedere Fachwerkhäuser. Der Beginn für die Umformung läßt sich unschwer datieren, und zwar auf die Bauzeit der Kirche, die in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts entstand.
Die Westönner Steinbrüche wurden zweifellos wegen des Kirchbaus eröffnet, wenn auch der vom westfälischen Oberpräsidenten Freiherr von Fincke begonnene und später fortgesetzte Straßenbau zur Weiterführung der Betriebe beigetragen haben mag.
Denn die Steinbrüche wurden nicht geschlossen, als die Kirche fertig war, sicher nicht aus sozialer Erwägung – dieser Sinn war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch schwach entwickelt, wie man an der miserablen Entlohnung der Gemeindehirten und Nachtwächter und am völligen Fehlen ihrer Altersversorgung erkennt -, sondern aus wirtschaftlichen Gründen. Gestein aus der eigenen Flur – die Brüche lagen etwas oberhalb des Hellwegs, der heutigen B1 – war billiger als Ziegelstein. Hinzu kam die herrliche Leuchtkraft, wobei allerdings einzuschränken ist: Für den Kirchbau war das Beste gerade gut genug, für den Hausbau war man nicht so wählerisch wie in unseren Tagen, weil der Sinn für Ästhetik noch schwach entwickelt war.
Man könnte beinahe von Profanierung reden, wenn man Stallgebäude in Grünsandstein sieht, einem Material, das für Künstlerhand bestimmt ist, aber die Späteren werden froh sein, noch solche Baudenkmäler zu besitzen. Allerdings ist zu befürchten, daß ihre Lebensdauer kaum höher sein wird als die der traditionellen Fachwerkhäuser. Aber auch sie können es gut und gern auf 200 Jahre bringen, wenn sie pfleglich behandelt werden. Der Westönner Grünsandstein ist weich, und deshalb liegen die Brüche – es waren einmal fünf – seit 30 Jahren still. Immerhin ist das Gemäuer der Pfarrkirche nicht so tief vom Wetter angenagt wie das der Soester Paulikirche. Sie steht schon 130 Jahre, und man wird ihr noch einige Jahrhunderte zumuten können.
Ähnlich wie im benachbarten Werl, wo die Brüche erst 20 Jahre später geöffnet wurden, läßt sich auch für Westönnen vermuten, daß der Steinabsatz zur Bildung einer kleinen Industrie geführt hat, ohne allerdings zu Lieferungen nach auswärts aufzuwachsen. Diese Vermutung drängt sich bei einem Spaziergang durch das nur einen Kilometer entfernte Mawicke auf, wobei allerdings zu ergänzen ist, daß Mawicke im 19. Jahrhundert nicht eben baufreudig war.
Zu einem Stück Dorfgeschichte ist einer von den beiden Steinbrüchen geworden, die dem Sauerkrautfabrikanten Kerkhoff gehörten. In den 20er Jahren unseres Jahrhunderts wollten sich die Schützen eine Halle bauen, hatten aber nicht mehr als 96 Pfennig in der Kasse, wie man sich heute noch schmunzelnd erinnert. Da schenkte ihnen Kerkhoff den Steinbruch, aus dem sie das Material selbst gewannen, und sie bauten die wahrscheinlich größte dörfliche Schützenhalle im mittleren Westfalen, die die Schützen nicht nur selbst benutzen, sondern die auch vortreffliche Dienste bei Tierschaufesten und anderen Gelegenheiten tut. In Erinnerung ist noch eine Tagung von über tausend Kommunalvertretern Anfang 1968, als die Neuordnung zusammen mit der Regierungskommission besprochen wurde.
Ob noch einmal Leben in die Westönner Steinbrüche zurückkehrt, ist eine Frage, die man heute ohne weiteres verneinen möchte. Das Gelände wird teils als Mülldeponie verwandt, teils ist es von Rasen und Obstbäumen überwachsen. Aber bei der Leuchtkraft des Gesteins findet sich vielleicht künftig wieder ein Verwendungszweck, und sei es lediglich zur Verkleidung von Innenteilen bei Repräsentativbauten. Wer einen Blick ins Kircheninnere wirft – sie wurde im Winter 1968/69 überholt -, ist überrascht von dem neuen Glanz. Sie ist viel schöner als vor 140 Jahren, und sie hätte schon damals so schön aussehen können, wenn man die Pfeiler nicht verputzt hätte. Sie bestehen nämlich aus Westönner Grünsandstein, der jetzt freigelegt ist.